Jürgen Klinsmann bei Hertha BSC: Ende eines Mega-Missverständnisses

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Jürgen Klinsmann bei Hertha BSC: Ende eines Mega-Missverständnisses

,,Dafür gab es keine Anzeichen”, erklärt Hertha-Manager Michael Preetz am Dienstag nach dem überraschenden Rücktritt von Jürgen Klinsmann (55) als Trainer des Berliner Bundesligisten. Der Ex-Bundestrainer war nur 76 Tage im Amt.

Es beginnt mit Social Media – und es endet mit Social Media.

In seinem nur  76 Tage dauernden Engagement als Trainer bei Hertha BSC bleibt Jürgen Klinsmann vom Start bis zum Ende am Puls der Zeit.

Vor dem Heimspiel gegen Borussia Dortmund (1:2), seiner Premiere auf der Hertha-Trainerbank am 30. November 2019 filmt Klinsmann das Intro im Berliner Olympiastadion mit seinem Handy im Stile eines Fan-Touristen.

Seinen überraschenden Rücktritt am Dienstagmorgen verkündet er dann ebenfalls zeitgemäß und via Facebook.Am 11. Februar 2020, kurz nach 10 Uhr, gibt Jürgen Klinsmann über seine offizielle Facebook-Seite Bescheid.

„Ende November haben wir mit einem hoch kompetenten Team dem Wunsch der Vereinsführung entsprochen und ihr in einer schwierigen Zeit geholfen“, schreibt Klinsmann, „wir waren in der relativ kurzen Zeit auf einem sehr guten Weg, haben auch dank der Unterstützung vieler Menschen trotz meist schwieriger Spiele inzwischen 6 Punkte Abstand zum Relegationsplatz.“

Den überraschend erfolgenden Rückzug begründet er so: „Als Cheftrainer benötige ich allerdings für diese Aufgabe, die noch nicht erledigt ist, auch das Vertrauen der handelnden Personen. Gerade im Abstiegskampf sind Einheit, Zusammenhalt und Konzentration auf das Wesentliche die wichtigsten Elemente. Sind die nicht garantiert, kann ich mein Potenzial als Trainer nicht ausschöpfen und kann meiner Verantwortung somit auch nicht gerecht werden.“

Der ehemalige Bundestrainer wird sich nach nur 76 Tagen wieder auf seinen Posten im Aufsichtsrat des Hauptstadtklubs zurückziehen. Damit endet auch das 2. Engagement von Jürgen Klinsmann als Bundesliga-Trainer vorzeitig. Es ist schwer, diesem etwas Positives abzugewinnen.Am 27. April 2009 hat sich der FC Bayern München von dem ehemaligen Weltklasse-Stürmer getrennt.

Nach einem 0:1 gegen den FC Schalke 04 und 2 weiteren, desaströsen Niederlagen im April 2009 – 0:4 beim FC Barcelona im Champions-League-Viertelfinale, Udo Lattek weint auf der Tribüne, und 1:5 im Bundesliga-Spitzenduell beim VfL Wolfsburg – ist für die Bayern-Bosse Schluss mit lustig und mit Buddha-Zauber. Die auf der Geschäftsstelle an der Säbener Straße positionierten Buddha-Figuren werden zum Sinnbild für Klinsmanns unglücklichen Versuch, beim FC Bayern alles auf links zu drehen.

Mit dem Konzept, die tiefgraue Maus Hertha BSC in einen ,,Big City Club” zu transformieren, tritt Klinsmann im November 2019 in Berlin an. Nur ist der trübe November eben keine Zeit für Aufbruchsstimmung, wie sie Klinsmann als Bundestrainer ab 2004 und ab 2011 auch als Nationalcoach der USA entfacht hat. Was tut man in so einem Fall? Man wirbt um prominente Neuzugänge und streut Transfer-Gerüchte. . Mario Götze von Borussia Dortmund, Granit Xhaka vom FC Arsenal oder Julian Draxler (PSG) – alle diese Namen geistern durch die Berliner Zeitungen. Aber: Keinen dieser Spieler kann Klinsmann für den neuen ,,Big City Club” gewinnen. Berlin ist reich, aber unsexy! Für rund 80 Mio. Euro wird dennoch investiert. Kein Klub gibt weltweit (!) im Winter mehr Geld für neues Personal aus als die Berliner. Die Dienste von Krzysztof Piatek vom AC Mailand und Matheus Cunha vom Liga-Konkurrenten RB Leipzig lässt man sich insgesamt 40 Mio. € kosten. Beflügeln kann das alles nicht.

Hertha BSC fehlt es an Kreativität und offensiver Durchschlagskraft. 25 Saisontore erzielen die Blau-Weißen in 21 Spielen. Nur Fortuna Düsseldorf (20 Treffer) ist im Angriff noch harmloser. Klinsmanns Bilanz ist unterirdisch. In 9 Spielen unter seiner Regie gelingen nur 3 Siege. Das „spannendste Fußball-Projekt in Europa“ (Klinsmann) ist ein Langweiler. Die Mannschaft des Ex-Bundestrainers erzielt in den letzten 4 Heimspielen nur ein Tor. Hertha BSC holt nur 5 Punkte aus den letzten 5 Liga-Spielen. Zudem lieferte man mit 23 Punkten aus 21 Partien die schlechteste Zwischenbilanz seit 5 Jahren. Und Klinsmann? Außer Michael Skibbe (47 Tage / 27. Dezember 2011 bis 12. Februar 2012) bleibt kein Hertha-Trainer, der mindestens 5 Pflichtspiele absolviert hat, kürzer im Sattel als ,,Klinsi”. Die überrumpelten Berliner bleiben ratlos zurück. ,, „Wir sind von dieser Entwicklung am Morgen überrascht worden“, sagt Hertha-Manager Michael Preetz am Dienstag, „dafür gab es keinerlei Anzeichen.“


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