Nationalmannschaften: Die 5 größten One-Hit-Wonder aus Europa
Die Geschichte der Fußball-Europameisterschaften und Weltmeisterschaften ist reich an Außenseiter-Stories.
Es sind genau diese Geschichten, die bei den Fans ein Leben lang hängen bleiben. Oftmals mehr als an den späteren Champion erinnert man sich hinterher an diejenigen, die niemand auf der Rechnung hatte. Ihr nassforsches Auftreten, ihre unglaublichen Ergebnisse faszinieren uns – und sind, wenn wir ehrlich sind ein Teil dessen, was Fußball ausmacht. Der Glaube, dass die Kleinen die Großen ärgern oder sie sogar schlagen können!
1994 ist so ein WM-Jahr. Der zum 4. Mal gekürte Weltmeister Brasilien wird vom Kult her niemals an den Außenseiter ran kommen, der es bis ins Halbfinale geschafft hat. Portugal holt sich 2016 mit der Europameisterschaft in Frankreich seinen ersten Titel im Senioren-Bereich. Im Vergleich zu den Auftritten eines schrulligen Underdogs aber fast eine Marginalie!
Die Weltmeisterschaft 2018 hat einen unerwarteten Finalisten. Der zeigt jedoch wenig später, dass auch für die so genannten Überraschungsteams nach jedem Höhenflug die Luft dünn ist. Was in 4 Wochen WM oder EURO Kult ist, wird beim Turnier danach schnell zum Ladenhüter. 5 dieser ,,One-Hit-Wonder” aus Fußball-Europa bei einer Welt- oder Europameisterschaft stellen wir vor. Huh!Europameister Dänemark hat 1992 die gesamte Fußballwelt verblüfft. „Danish Dynamite“, als Nachrücker für das ausgesperrte Jugoslawien, jedoch nicht unvorbereitet zum Turnier ins benachbarte Schweden gereist, schreibt ein Stück Fußball-Geschichte.
Die Dänen lassen in der Vorrunde die Fußball-Großmächte England und Frankreich hinter sich. Im Halbfinale schlagen sie Holland im Elfmeterkrimi und – der Hit – im Finale düpieren sie den amtierenden Weltmeister Deutschland in Göteborg mit 2:0.
Aus den dänischen Außenseitern werden Weltstars – Peter Schmeichel, John Jensen, Brian Laudrup, Flemming Povlsen und Hendrik ,,Store” Larsen schaffen es allesamt zu internationalen Topklubs. Das Dänen-Wunder geht 1995 weiter. Beim Confed-Cup in Saudi-Arabien, zwischen goldenen Wasserhähnen in den Kabinen und den Scheichs auf den Tribünen von Riad, schlagen die Laudrup-Brüder erstmals gemeinsam zu. Michael und Brian führen Dänemark im Finale gegen Copa-America-Champion Argentinien zu einem 2:0-Erfolg. Die EURO 1992 hat Michael Laudrup, älterer der beiden Brüder, wegen eines Streits mit Nationalcoach Richard Moeller-Nielsen verpasst. ,,Es kommt nicht oft vor, dass du mit dem Nationalteam und deinem Bruder zusammen einen Titel gewinnst”, sagt Laudrup später bei FIFA-TV.
Stimmt. Die WM-Teilnahme 1994 hat Dänemark als amtierender Europameister in einer nicht eben übermächtigen Gruppe mit Spanien und Irland verpasst! Das letzte Hurra für die Skandinavier folgt 1996 in England. Der Titelverteidiger kann nach einem personellen Umbruch nur noch wenige Helden von Göteborg aufbieten, wie Schmeichel oder Brian Laudrup, und fährt mit 3 Niederlagen im Gepäck nach der Vorrunde nach Hause.Ist es der heftige Regen in Moskau, die Anwesenheit der charmanten Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarovic oder die überwältigende Reaktion aus der Heimat? Die Vize-Weltmeister Kroatiens wissen am 15. Juli 2018 noch nicht, wie sie das Erlebte einordnen sollen.
In den vorangegangenen 4 Wochen WM in Russland haben ,,Die Feurigen” den Etablierten so richtig Feuer gemacht. Das 3:0 im Gruppenspiel gegen Argentinien lässt die Begeisterung um die Mannschaft um Superstar Luka Modric fast schon überborden.
Zusammen mit dem stillen Regisseur von Real Madrid gehen international erfahrene Spieler wie Mario Mandzukic, Ante Rebic, Ivan Rakitic oder Ivan Perisic an ihr absolutes Limit. Sie strapazieren die Nerven ihrer Fans auf dem Balkan bis zum Zerreißen! 2-mal geht es gegen Dänemark (Achtelfinale) und gegen Gastgeber Russland ins Elfmeterschießen und gegen England im Halbfinale (2:1) muss man in die Verlängerung. Das Finale gegen Frankreich ist beim 2:4 dann wohl ein Traum zu weit.
Ende August wird Modric überraschend Europas Fußballer des Jahres – und dann ist es vorbei mit der Herrlichkeit im Schachbrett-Trikot. Kroatien geht nur 8 Wochen nach dem WM-Finale in der neu geschaffenen UEFA Nations League mit 0:6 in Spanien unter. Im letzten Gruppenspiel nehmen die Engländer mit 2:1 in Wembley erfolgreich Revanche für das WM-Aus. Dass das kroatische Märchen von 2018 endgültig zur ,,Orban Legend” wird, liegt an den Ungarn. Angetrieben vom Leipziger Bundesliga-Profi Willi Orban bezwingen die Magyaren den Vize-Weltmeister in Budapest mit 2:1 – und setzen die Mannschaft von Trainer Zlatko Dalic schon nach 2 Spielen in der Qualifikation zur EURO 2020 unter riesigen Druck.
Die Erweiterung der Europameisterschafts-Endrunde 2016 in Frankreich von 16 auf 24 Teilnehmer macht das nordischste aller Fußball-Wunder erst möglich.
Island wird 2016 das kleinste EM-Teilnehmerland aller Zeiten. Isländer-Witze sind in diesem Sommer in Mode, doch zum Kult wird ein Jubel-Ritual der Nordmänner. Zusammen stehen sie nach jedem Spiel vor ihrem Fanblock und klatschen rhythmisch mit einem lang gezogenen ,,Huh”. Dieser Jubel schreibt als ,,Viking Clap”, als Wikinger-Klatschen nicht nur bei der triumphalen Rückkehr nach Reykjavik seine eigene Geschichte.
In Frankreich sorgen Hannes Halldorsson, Aaron Gunnarsson, Gylfi Sigurdsson für ein Wundersson! Sie trotzen Portugal ein 1:1 ab, holen gegen Ungarn das gleiche Ergebnis und schießen sich durch ein 2:1 gegen Österreich ins Achtelfinale. Die Schrei-Ekstase des isländischen Reporters Gudmundur Benediktsson wird zum Klick-Hit im Internet – und zum klaren Fall für den Hustinetten-Bär. Die Wikinger haben aber noch einen drin. Im Achtelfinale bezwingen sie England mit 2:1, ehe Frankreich im Viertelfinale dann eine Nummer zu groß ist. Ein 2:5 sorgt für die Heimfahrtsson.
2 Jahre später qualifizieren sich die Isländer sogar für die WM in Russland. Nun hört zwar auch Putin ein ,,Huh”, aber der Zauber aus Frankreich ist weg. Bieder, uninspiriert, mit zu viel Angst vor der eigenen Courage, scheiden die Nordmänner schon in der Vorrunde aus.Das 1:2 von Titelverteidiger Deutschland im WM-Viertelfinale 1994 gegen Bulgarien ist auch die Stunde der Komödianten.
,,Wahnsinn, was der Balkan alles am Ball kann”, spottet Kabarett-Legende Dieter Hildebrandt († 2013) nach dem peinlichen ,,Aus” gegen die Balkan-Kicker. ,,Thomas Häßler verliert ein Kopfball-Duell, das musste ja mal so kommen”, ahnt Eurosport-Kommentator Wolfgang Ley beim 2:1 per Kopf durch Jordan Letschkow, der überraschenderweise höher springt als der 1,66 m große ,,Icke”, schon Böses.
Man hätte es wissen können, doch Berti Vogts und sein Team schlagen alle Warnungen in den Wind. ,,Vorsicht”, verhallt auch Karl-Heinz Riedles Appell ungehört, ,,die Bulgaren sind eher besser als schlecht.” Das zeigen sie erst in den Gruppenspielen gegen Griechenland (4:0) und Argentinien (2:0) und dann im Achtelfinale gegen Mexiko. Krassimir Balakow, Emil Kostadinow, Jordan Letschkow, Trifon Iwanow und Hristo Stoitschkow haben in der Qualifikation für das Turnier in den USA schon Frankreich rausgeworfen. Ihre Siege feiern sie im Teamhotel traditionell mit Pommes, Gummibärchen und Bikini-Girls. Im deutschen Quartier toben stattdessen die Kinder von Stefan Effenberg herum.
Mit Platz 4 kommen die Bulgaren 1994 aus Amerika zurück, Superstar Stoitschkow wird Co-WM-Torschützenkönig. In der anschließenden EM-Quali für England schocken sie Deutschland mit 3:2 in Sofia gleich nochmal, aber dann ist der Balkan-Rausch vorbei. Aus der EURO 1996 und der WM-Endrunde 1998 geht Bulgarien mit nur einem Sieg jeweils nach der Gruppenphase raus. Einziger Trost: 1998 lacht die Fußball-Welt über Deutschland immer noch – 0:3 gegen Kroatien im Viertelfinale…
66 Jahren.,,Three Lions on the shirt” – Den Song zur EURO 1996 von Baddiel, Skinner & the Lightning Seeds kennt wohl jeder Fußballfan. Er wird ja auch bis heute bei jeder Tipp-Kick-Party inflationär geträllert.
1996 ist das Ding ohrwurmverdächtig. Kein Wunder, kammern sich seine Interpreten doch daran, dass 30 Jahre nach dem 4:2-Erfolg in der Verlängerung im Londoner Wembley-Stadion im WM-Finale gegen Deutschland am 30. Juli 1966 der Fußball ,,endlich nach Haus kommt”. Football comes home – das ist auch das Motto, unter dem die EURO-Endrunde 1996 in England steht. Wir wollen nicht zu viel verraten: Aber es wird wieder nichts! Die Deutschen nehmen Revanche für die Wembley-Pleite von 1966 und schlagen England im Halbfinale im Elfmeterschießen.
Es ist das einzige Halbfinale nach 1966 und 1990 (schon mal eine Pleite im Elfmeter-Duell gegen Deutschland), das England bis 2018 bestreiten wird. Den Fluch, nicht in ein Finale einziehen zu können, werden in Russland auch Harry Kane und Co nicht brechen.
Bereits 1970 scheitern Bobby Charlton und die ,,Three Lions” als Titelverteidiger im Viertelfinale an den Deutschen, die WM-Endrunden 1974 und 1978 verpassen sie. So bleibt der Final-Erfolg von 1966, der durch das bis heute umstrittene ,,Wembley-Tor” von Geoff Hurst zum 3:2 überhaupt erst zustande kam, der einzige Nationalmannschafts-Erfolg für das ,,Mutterland des Fußballs.” Jules Rimet still gleaming!