Gone too soon: Stübner – Tod einer DDR-Fußball-Legende
Mit Jörg Stübner (53) vestarb 2019 der vielleicht einzige Fußball-Popstar der ehemaligen DDR. Der Ex-Dresdner war nach der Wende glücklos.
Das Jahr 2019 neigt sich dem Ende zu. Es ist das 30. Jahr seit dem Fall der Berliner Mauer 1989 und dem ersten Schritt zu einem wiedervereinten Deutschland.
LigaLIVE.net blickt zum Jahreswechsel hinter die Mauer. Die Geschichte des Ost-Fußballs aus anderer Perspektive. Dies, das können wir verraten, wird uns auch 2020, im 30. Jahr der deutschen Einheit, beschäftigen. Freuen Sie sich darauf!
Wenn Sie sich am 30. Dezember bei der Lektüre unseres Features Gone too soon – Die 11 der verstorbenen Fußballstars 2019 gewundert haben, warum der Name Jörg Stübner fehlt, dann nur deshalb, weil wir den am 24. Juni 2019 im Alter von nur 53 Jahren verstorbenen Fußball-Shootingstar der ehemaligen DDR in einem eigenen Beitrag würdigen wollen. Für Stübner bedeutete die Wende das Ende seiner vorgezeichneten Fußballerkarriere…
Es gibt nicht wenige Experten, die Stübner auch nach dem Mauerfall eine große Karriere vorausgesagt haben. Der gebürtige Freiberger gilt als erster ,,Fußball-Popstar” des real existierenden Sozialismus und gibt sein Profi-Debüt für Dynamo Dresden als offensiver Mittelfeldspieler schon 1983, mit 18.
Für die DDR-Nationalmannschaft (47 Länderspiele) debütiert er am 17. November 1984 gegen Luxemburg – mit 19 Jahren. Mit seinem Pop-Haarschnitt wird er zum Mädchenschwarm und zu einer Art Ryan Giggs des Ostens.
,,Ein Pop-Star, für den es im Westen einen Star-Schnitt in der BRAVO gegeben hätte”, schreibt Robert Schreier in SPORT BILD (Ausgabe 46 / 2019) dazu. Diesen wird es nicht geben.Von den Annehmlichkeiten, die Fußballprofis im Westen genießen, kann Stübner nach der sportlichen Wiedervereinigung 1991/92 – die Bundesliga spielt in diesem Jahr mit den beiden Ost-Klubs Dynamo Dresden und FC Hansa Rostock ihre einzige Saison mit 20 Vereinen – kaum profitieren.
Dabei beginnt Stübners Absturz eigentlich schon am Abend seines größten Spiels. Im Länderspiel gegen Frankreich degradiert er Weltstar Michel Platini (,,Le Platine”) zum Statisten. Einen mutigen Schritt vollzieht Stübner im Alter von 18 Jahren. Anders als andere Teamkollegen wie etwa Torsten Gütschow verweigert er eine Zusammenarbeit mit der Staatssicherheit (Stasi). Die Behörde vermutet, dass Stübner sich 1986, beim Europacup-Auswärtsspiel von Dynamo Dresden bei Bayer 05 Uerdingen in Krefeld (3:7) in den Westen absetzen will – und bricht seinen Kabinenspind im Rudolf-Harbig-Stadion auf. Sie finden nichts. Stübner hat bis zu seinem tragischen Tod alle Briefe seiner West-Freundin in seiner Jackentasche. Eng am Mann sozusagen.
,,Wäre die Wende ein oder 2 Jahre früher gekommen, hätten sich die West-Vereine wohl um Stübner gerangelt wie um Matthias Sammer, Ulf Kirsten oder Andreas Thom”, vermutet SPORT BILD-Autor Robert Schreier, ,,doch 1989 war Stübs schon auf dem absteigenden Ast.”
Dem Autor Uwe Karte, der mit Stübner – Popstar wider Willen im November 2019 eine Biografie über den DDR-Fußballstar verfasst hat, erzählt ,,Stübs” 3 Jahre lang von seinem Leben und von seinem Niedergang. Alkohol, Schmerztabletten, eine Art Burn-out und ein in der Öffentlichkeit kolportierter Selbstmordversuch bringen Stübner in eine Abwärtsspirale. Einmal wird er als ,,hilflose Person” in seinem eigenen Wagen gefunden – und von der Polizei nach Hause gebracht. Seine Alkoholprobleme führen 1993 zu seinem ,,Aus” bei Dynamo Dresden. Stübner macht insgesamt nur 5 Spiele in der Fußball-Bundesliga, das letzte bereits am 2. November 1991 gegen den FC Schalke 04 (1:1). Stübner steht nur 104 Minuten in der deutschen Fußball-Eliteliga für Dynamo Dresden auf dem Rasen. Nach seinem Wechsel zu Sachsen Leipzig macht er auch für diesen Klub in der NOFV-Oberliga Süd nur 6 Liga-Spiele. ,,Sein Leben war der Fußball”, erklärt Uwe Karte der SPORT BILD, ,,doch das Leben ohne den Fußball überforderte ihn.” Nach Jahren mit Hartz IV und der Haltlosigkeit sieht man Jörg Stübner im März 2019 mit einer neuen Aufgabe: Ein Job in der Fußball-Akademie von Dynamo Dresden. Leider zu spät: 3 Monate danach stirbt er an Herz-Kreislauf-Versagen.