Vor 15 Jahren: ,,Wichtich is auffem Flugplatz” – Wirtschaftskrimi um den BVB!
Vor 15 Jahren: ,,Wichtich is auffem Flugplatz” – Wirtschaftskrimi um den BVB! Als Borusia Dortmund vor der Pleite stand.
,,Existenzbedrohende Lage”, ,,Insolvenz und Zwangsabstieg möglich” – So gestaltet sich die Ausgangssituation von Borussia Dortmund unmittelbar vor dem 14. März 2005.
Ein Anflug von Größenwahn hat den Revierklub an den Rand des finanziellen Ruins geführt und für einen gigantischen Schuldenberg gesorgt.
Knapp einen Monat zuvor ist sozusagen ,,Schicht im Schacht”! Der einzige an der Börse notierte deutsche Fußballverein per Pflichtmitteilung eine „existenzbedrohende Ertrags- und Finanzsituation“ vermeldet. Als der damalige Manager Michael Meier auf einer Pressekonferenz am 17. Februar 2005 gefragt wird, ob der BVB noch liquide sei, erteilte er seinem Nebenmann, dem Wirtschaftsprüfer Jochen Rölfs (Foto) das Wort. Die Antwort des Wirtschaftsprüfers sorgte für ein Bundesliga-Beben: „Lehnen die Gläubiger den Sanierungsplan ab, war’s das. Dann ist Schluss. Der BVB hat nichts mehr in der Hinterhand.“
Die danach präsentierte Horrorbilanz übertrifft selbst die schlimmsten Befürchtungen. Mit einem Mal wird deutlich, in welch prekäre Lage die damaligen Führungskräfte Dr. Gerd Niebaum und Michael Meier den Verein mit ihrer Großmannssucht manövriert haben! Demnach sind bereits knapp 80 Prozent des von den Aktionären eingezahlten Kapitals in Höhe von 179,5 Millionen Euro durch Verluste aufgezehrt. Zudem rechnet der BVB für das Geschäftsjahr mit einem Defizit von rund 68 Millionen Euro. Einen Tag später einigen sich die Gläubiger des BVB auf einen ersten Kompromiss zur Sanierung des Vereins. Was jedoch noch fehlt, ist die Zustimmung der 5.800 Gesellschafter des Immobilienfonds Molsiris.
,,Ich denke jedes Mal, wenn ich nach Düsseldorf zum Flughafen fahre, an diesen Tag zurück”, sagt Borussia Dortmunds Präsident Dr. Reinhard Rauball (73) im Kicker-Interview (Donnerstag-Ausgabe) über den 14. März 2005, den Tag des Showdown in Düsseldorf. ,,Wichtich is auffem Flugplatz”, wie man in Dortmund in Anlehnung an den Kultspruch von BVB-Legende Alfred ,,Adi” Preißler (,,Grau ist alle Theorie – Wichtich iss auffem Platz”) sagt, denn am Düsseldorfer Flughafen findet die entscheidende Abstimmung über die Zukunft des finanziell leck geschlagenen Traditionsvereins aus dem Revier statt.
„Das war unfassbar, das war eine Extremsituation. Ich werde es in meinem Leben niemals vergessen“, schildert der BVB-Sanierer Hans-Joachim Watzke 10 Jahre später seine Gefühlslage vor dem entscheidenden Termin auf dem Düsseldorfer Flughafen.
Nach langem Ringen stimmen die Haupteigentümer des Westfalenstadions dem Sanierungskonzept des finanziell schwer angeschlagenen Klubs zu. Dieser Einigung geht ein 7-stündiger Verhandlungs-Marathon voraus, der die Nerven der leidgeprüften BVB-Fans bis zum Zerreißen anspannt.
,,Der Tag war anstrengend”, erzählt Dr. Reinhard Rauball im Kicker, ,,ich war extrem konzentriert, aber gesundheitlich hatte er keine negativen Auswirkungen bei mir.” Die Frage, ob es die 7 extremsten Stunden seines Lebens waren, beantwortet der BVB-Präsident und Jurist heute so: ,,In meinem beruflichen Leben – ja.”
In der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt entscheidet sich nach 1986 somit zum 2. Mal das sportliche wie finanzielle Schicksal von Borussia Dortmund. 1986 entgeht der BVB durch ein 8:0 im 3. Relegationsspiel gegen Fortuna Köln im Düsseldorfer Rheinstadion dem Abstieg in die 2. Liga und dem finanziellen Kollaps, 2005 bei der Molsiris-Abstimmmung wendet man den Finanzcrash inklusive Lizenz-Entzug ab.
Durch 94,4 Prozent ,,Ja”-Stimmen der Gesellschafter kann an diesem geschichtsträchtigen BVB-Tag 2005 die drohende Insolvenz des Schein-Riesen quasi in letzter Minute abgewendet werden.
Der Verein bleibt damit handlungsfähig. Schaudernd erinnert sich Watzke an die 6-stündige Sitzung in einer Eventhalle des Düsseldorfer Flughafens, die die Fans mit bangem Blick beim Nachrichtensener n-tv verfolgen. „Die ersten 4 Stunden waren sehr negativ. Da hatten einige BVB-Sympathisanten im Saal Tränen in den Augen. Die dachten, das ist das Ende“, sagt er 2015 dem WDR.
,,Der 14. März 2005 war das Bedrohlichste, das in diesem Szenario eine Rolle gespielt hat”, erklärt Dr. Reinhard Rauball, ,,wir erlebten einen Wettkampf zwischen ,Alles zu verlieren' und der Möglichkeit, an finanziellen Mitteln noch mitzunehmen, was unser Sanierungskonzept noch zuließ.”
Ein Wirtschaftskrimi mit Happy End für den BVB. ,,Sie können sicher sein”, beantwortet der damals wie heute als BVB-Präsident agierende Dr. Reinhard Raubell die Frage nach einer rauschenden Feier am Ende des Tages quasi mit ,,ja.” in.Der BVB ist gerettet, spielt die bis dahin beste Rückrunde der Vereinsgeschichte und leitet ab 2008 sportlich wie finanziell die Wende ein.
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