Bayern München: “Für die Scheißstimmung seid doch ihr zuständig”
Auf einigen Jahreshauptversammlungen des FC Bayern gab es legendäre Momente. Auf schnöden Pressekonferenzen auch. Und auf Weihnachtsfeiern erst recht.
Ein Rückblick über die kultischsten Bayern-Versammlungen und offiziellen Events abseits vom Fußballplatz der letzten 20 Jahre.
Von den Rasereien und Bekenntnissen des Uli Hoeneß bis zu den poetischen Ergüssen des Karl-Heinz Rummenigge.
Und von den amourösen Aktivitäten des “Kaisers” bis zur legendärsten Pressekonferenz der Bundesligageschichte.Es sind die Iden des März des Jahres 1998, als für Giovanni Trapatoni der Tag der Abrechnung naht. Und es ist der Tag als “der Mister” in der Trainerkabine eingeschlossen wird – vom Pressesprecher, zum eigenen Schutz. Dabei hatte sich der italienische Startrainer akribisch auf den Tag und die Pressekonferenz vorbereitet. Mindestens acht Zettel, so erinnert sich der damalige Pressesprecher, Markus Hörwick, bringt Trappatoni am 10. März 1998 in den überfüllten Presseraum an der Säbener Straße.
„Sind Sie bereit?“, startet Trapattoni den legendären Event, nimmt Fahrt auf und geht steil in den Strafraum. „Flasche leer“, „Was erlaube Struuuunz?“ – wie ein brodelnder Vulkan zündet Trap ein 200 Sekunden andauerndes sprachliches Feuerwerk, welches mit dem mittlerweile legendären Satz „Ich habe fertig“ endet. “Ein Trainer ist nicht ein Idiot!“ Er sei mithin nicht Schuld an den acht Punkten Rückstand auf den späteren Meister 1. FC Kaiserslautern. Die Spieler sind es.
Vor allem Thomas Strunz, „is immer verletzt!“, dazu Mehmet Scholl und Mario Basler, die Trapattoni in Interviews offen kritisiert hatten. Die Abrechnung ist denn auch keine spontane Sache. Im Kurzurlaub in Italien am trainingsfreien Montag ist Trap die Idee zur Revanche gereift. Was er dann der staunenden Journaille darlegt, ist „keine spontane Sache“, wie Trapattoni höchstselbst in seiner 2016 erschienen Biographie („Ich habe noch nicht fertig“) schreibt. Er habe sogar extra einen befreundeten italienischen Journalisten angerufen, „weil ich wahrlich ein Riesentohuwabohu veranstalten wollte“.
Die Spieler waren „alle geschockt über das Ausmaß seines Zorns“, sagt Strunz zum 15-jährigen Jubiläum der „SZ“. Er habe eine harte Zeit durchlebt als “Synonym des verwöhnten Fußballers“. Dabei hatte wohl Strunz besonderes Pech. Denn der Name Strunz habe auch zur Verbreitung der Tirade in Italien beigetragen. Dort steht er in der Gegend um Neapel für eine unflätige Beschimpfung. Im März 1998 wollte Trapatoni sogar noch mal zurück in den Presseraum, nachlegen. Denn er hatte noch nicht fertig. Hörwick schloss ihn in der Trainerkabine ein und log ihn an, dass die Pressemeute schon weg sei. „Ich habe fertig“ wurde mittlerweile in einen Band mit historischen Zitaten aufgenommen, schreibt Trapatoni in seiner Biographie stolz. Dort stehe es nun neben Zitaten wie ‘I have a dream' von Martin Luther King.Als Franz Beckenbauer noch Bayern-Präsident war, war die launig-charmante Art der Versammlungsleitung. des Kaisers legendär. Bei der Jahreshauptversammlung 2002 drohte den Bayern-Oberen aber ein Fiasko. Der Verein wollte den Fußball-Bereich in eine Kapitalgesellschaft ausgliedern. Als in der Olympiahalle Pfiffe und Buhrufe ertönten, entschloss sich Beckenbauer, die Abstimmung zur Vertrauensfrage über die gesamte Führungsmannschaft zu machen. “Diejenigen, die mit Nein stimmen, sind die, die dem Präsidium nicht vertrauen”, rief Beckenbauer den Mitgliedern warnend zu. Und bekam Recht: 92 Prozent stimmten für den Antrag des Präsidiums.
Auf der Jahreshauptversammlung 2007 wurde eigentlich debattiert, ob Ottmar Hitzfeld noch der richtige Trainer für den FC Bayern ist. Als einige Mitglieder dann aber an den Eintrittspreisen und der mäßigen Stimmung in der Arena herummäkelten, in der die Münchner seit dem Umzug 2005 ihre Heimspiele bestreiten, platzte Uli Hoeneß – damals noch Manager, nicht Präsident – der Kragen.
“Für die Scheißstimmung seid ihr doch zuständig und nicht wir”, tobte Hoeneß. Buhrufe im Publikum. Hoeneß ließ nicht locker: “Das ist doch unglaublich. Was glaubt ihr eigentlich, was wir das ganze Jahr über machen, damit wir euch für sieben Euro in die Südkurve gehen lassen können?” Wieder Buhrufe. “Was glaubt ihr eigentlich, wer euch das alles finanziert? Die Leute in den Logen, denen wir die Gelder aus der Tasche ziehen. Ohne die hätten wir nämlich keine Allianz Arena (…).” Beckenbauer versucht sich einzuschalten – keine Chance.
Einmal in Fahrt legt Hoeneß nach: “Was glaubt ihr eigentlich, wer ihr seid?” Beckenbauer versucht es erneut – vergeblich. Hoeneß: “Es kann doch nicht sein, dass wir hier kritisiert werden, dafür dass wir uns seit vielen Jahren den Arsch aufreißen. Dass wir dieses Stadion hingestellt haben. Aber das hat 340 Millionen Euro gekostet. Und das ist nun mal mit sieben Euro in der Südkurve nicht zu finanzieren. Ihr wollt Ribéry, ihr wollt den Luca Toni, ihr wollt keinen Champagner in den Logen, ihr wollt nix, ihr wollt gar nix – ihr wollt aber die besten Spieler der Welt.”Doch es geht noch besser. Das Gedicht, mit dem sich Vorstandsboss Rummenigge auf der Versammlung 2009 bei Ehrenpräsident Franz Beckenbauer bedankte, gehört zu den peinlichen Höhepunkten der Vereinsgeschichte:
“Lieber Franz, ich danke Dir. Ich danke Dir, ich danke Dir sehr. Ich danke Dir, das fällt uns nicht schwer. Ich danke Dir, danke Dir ganz toll. Weiss gar nicht, was ich alles sagen soll. Ich danke Dir, Du bist ein Schatz. Dies sage ich Dir in diesem Satz. Ich danke Dir, das fällt nicht schwer. Danke, danke, danke sehr. Und ein spezielles Dankesehr an 1860 für die Watschn an Dir.”
Peinlich. Noch peinlicher: Rummenigge hatte sich beim Dichten seiner Reime im Internet bedient, die Urheberin verklagte ihn – der FC Bayern und die Schöpferin der Verse aus Hessen einigten sich außergerichtlich.
Auf der Jahreshauptversammlung 2012 ging es handfester zu. Uli Hoeneß verriert seine Spionagefähigkeiten und erzählte, er habe eines Tages den Gerüchten nachgehen wollen, dass Alaba zusammen mit Franck Ribéry gerne mal nachts in München unterwegs sei. Als Hoeneß Alaba konfrontierte, habe dieser geantwortet: “Ja woo?” Hoeneß darauf: “Im H'ugo's und dann später im P1.” Alaba antwortete: “Herr Präsident, darüber muss ich nochdenkn.” Als Hoeneß am Tag danach nachfragte, habe Alaba gesagt: “Da muss der Ribéry mit einem anderen Schwoazn unterwegs gwesn sein.”Auf der Jahreshauptversammlung 2013, Hoeneß hatte sich bereits als Steuerhinterzieher angezeigt, brachen aus “El Chefe” die Tränen heraus. Hoeneß sprach : “Ich habe einen großen Fehler gemacht”. “Ich habe über all die Jahre zig Millionen an persönlichen Einnahmen versteuert, ich habe über fünf Millionen Euro an soziale Einrichtungen gespendet.” Aber er wolle sich damit “nicht reinwaschen” und werde sich “den Konsequenzen stellen”.
Sobald das Urteil gesprochen sei, werde er darum bitten, “eine außerordentliche Hauptversammlung einzuberufen, und ich werde Ihnen dann die Vertrauensfrage stellen. Ich möchte in Ihre Hände die Frage legen, ob ich noch der richtige Präsident für diesen Verein bin”. Sein Amt als Bayern-Präsident übergab er während der Gefängniszeit an Karl Hopfner. Auf der Jahreshauptversammlung 2016 kehrte Hoeneß zurück. “Dass ich heute hier stehen darf, verdanke ich meinen zwei Familien. Zum einen meiner Frau, meinen Kindern und Enkelkindern. Und dann der Familie des FC Bayern”, sagte Hoeneß.
Er fuhr fort: “Ich habe geweint wie ein Schlosshund in meinem Bett, weil ich es nicht fassen konnte, dass es so viele Menschen gibt, die trotz dieser schwierigen Zeit hinter mir stehen. Das hat mich davon überzeugt, wieder zurückzukehren und mir die Kraft gegeben, diese schwere Zeit zu überstehen.”
Kurz vor seiner erneuten Wahl zum Präsidenten sagte Hoeneß: “Ich respektiere jeden, der mir heute nicht seine Stimme gibt. Aber ich habe meine Strafe abgesessen und alle meine Schulden bis auf den letzten Cent – auch die Kirchensteuer – zurückgezahlt.”“Ja, es stimmt, ich stehe dazu.” Das bekannte Franz Beckenbauer, nachdem eine Regionalzeitung aus Mannheim den Skandal enthüllt hatte. Was war passiert?
Nach der Weihnachtsfeier 1999 des FC Bayern München soll Beckenbauer nicht alleine, sondern mit der Sekretärin des Vereins aus der Abteilung Fan-Artikel nach Hause gegangen sein. Am 17. August des Folgejahres wurde Johann geboren. Und obwohl das Thema auf der Pressetribüne des Olympia-Stadions wohlbekannt war, schrieb keiner aus der Münchener Journaille über das Sujet. Und auch die Bild-Zeitung hielt dicht. Solange Kaiser Franz nichts dazu sagen wollte – und solange die Mutter dazu schwieg.Ein Sportjournalist des “Mannheimer Morgen”hat dann wohl die fröhlichen Münchner Kollegen auf der Pressetribüne beim Frotzeln belauscht, die während des Freundschaftsspiels Deutschland gegen Dänemark über die Nachwuchssorgen von Kaiser Franz fabulierten.
Das Wissen schrieb er in der Sonnabendausgabe seiner Zeitung auf und formulierte etwas über Begegnung einer “Lichtgestalt” mit einer “Sekretärin” und von “Empfängnis” und von der Tatsache, dass “ein kleiner Kaiser” geboren worden sei. Die Glosse des “Mannheimer Morgen” wurde zusätzlich noch mehreren Redaktionen zugefaxt.
Die Münchner “Abendzeitung” brach dann das Schweigekartell in der bayerischen Hauptstadt und schrieb als Überschrift”Beckenbauer: Uneheliches Baby?” Die Lawine rollte. Beckenbauer hatte nur noch die Chance, schnell zu reagieren. Das tat er und bekannte.