Bundesliga gegen England: Diese 11 deutsch-englischen Europacupduelle schrieben Geschichte
Es genügen nur ein paar Begriffe, um die Emotionalität, die hinter dieser Fußball-Rivalität steckt, zu wecken.
„Sekunden-Drama“, „Wunder von Glasgow“ – und schon rollt sie, die Diskussion um deutsch-englische Europapokal-Hits. Versuchen Sie das mal in Ihrer Fußballkneipe oder in einem englischen Pub. Es wirkt!
Deutsche Vereine haben im Europapokal in den 3 verschiedenen Wettbewerben gegen belgische, spanische, holländische und italienische Teams Finalspiele gewonnen.
Wackere Außenseiter aus der Bundesliga und der alten DDR-Oberliga haben Großklubs wie Real Madrid, den FC Valencia oder die AS Rom das Fürchten gelehrt.
Aber nirgendwo steckt so viel Mythos drin wie in den Duellen gegen die Vereine von der Insel.Deutschland gegen England im Europacup, das ist immer auch die Fortsetzung von Wembley 1966 oder Mexiko 1970 mit anderen Mitteln. Eben eine Etage tiefer.
Seit der Gründung der Premier League 1992 ist es auch ein Kampf der Systeme geworden. Die Liga der Superreichen gegen die „Weltmeister-Liga“ von 2014, die von oft windigen Investoren geführten englischen Teams gegen die personifizierte wirtschaftliche Solidität aus der Bundesliga.
Sprüche wie „Die Premier League ist die wettbewerbsstärkste Liga der Welt, ich wüsste nicht, warum man zum FC Bayern München gehen sollte“ von Chelseas Linksverteidiger Marcos Alonso oder „Bundesliga ist Premier League in Zeitlupe“ von Englands Reporterlegende Keir Radnedge heizen diese Rivalität nur noch an.
Horrende Summen, wie sie die „Blues“ aus London etwa für einen Durchschnittspieler wie Dortmunds Christian Pulisic zahlen, sind in der Bundesliga verpönt. Einige Experten sagen zu Recht. Andere sagen, dass das Investorenmodell bei guter Führung auch in Deutschland für einen finanziellen Schub und mehr Wettbewerbsfähigkeit sorgen würde.
All das ist graue Theorie. Die Wahrheit liegt auf dem Rasen von Wembley, Old Trafford, Anfield, München, Dortmund oder Schalke. Die deutsch-englischen Europapokalduelle sind immer ein Gradmesser für diese Trends gewesen.
Wir haben 11 dieser Spiele herausgepickt, an die sich jeder Fan auf der Insel und in Deutschland erinnert. For sure!Irgendwie haben die Zuschauer am 24. März 1965 im Stadion „De Kuip“ von Rotterdam das Gefühl, dass der 1. FC Köln und der FC Liverpool ewig spielen könnten.
120 Minuten reichen nicht aus, um im 3. Vergleich zwischen dem deutschen und dem englischen Meister einen Sieger zu finden. 2-mal haben die „Reds“ und der FC „genullt“ – 0:0 heißt es in Anfield und in Müngersdorf.
Da es noch kein Elfmeterschießen gibt, greift Schiedsrichter Robert Schaut aus Belgien nach dem Ende der Verlängerung – es steht 2:2 – zum guten alten Losentscheid.
Der Referee, der erst sein 2. Europapokalspiel leitet, wirft eine Münze. Da „De Kuip“, Rotterdams berühmteste „Wanne“, an diesem Abend regennass ist, bleibt die Münze im Morast stecken. Beim zweiten Mal fällt sie auf die Seite des FC Liverpool. LFC-Kapitän Ron Yeats bietet dem Unparteiischen einen dritten Versuch an, da der Coin wieder nicht eindeutig gefallen ist. Der lehnt ab, Köln ist raus. Der FC Liverpool ist eine Runde weiter und scheitert im Halbfinale mit 3:4 am späteren Sieger Inter Mailand. Nach dem 0:3 im Rückspiel braucht es keinen Losentscheid…Vor dem Meistercup-Finale 1975 begrüßen sich die Kapitäne des FC Bayern München, Franz „Franz“ Beckenbauer, und William „Billy“ Bremner († 1997) von Leeds United freundlich.
Was der gute Billy beim Shakehands mit dem „Kaiser“ und Weltmeister von 1974 im Pariser Prinzenparkstadion nicht wissen kann: Es wird das letzte Europacupsiel der „Whites“ für 4 lange Jahre sein.
Am Rande der Partie randalieren englische Hooligans in der französischen Hauptstadt – und auch im Stadion.
Auf dem Platz geht es hoch her. Terry Yorath foult Björn Andersson derart hart, dass Uli Hoeneß nur einen Gedanken hat: „Das war die brutalste Attacke, die ich je im Fußball gesehen habe.“ Später würde er wahrscheinlich den Zusatz „geisteskrank“ verwenden, aber lassen wir das…
Später wechselt der „Kaiser“ die Sportart und leistet sich ein vom Referee unentdecktes Handspiel im Strafraum. Als der französische Schiedsrichter Michel Kitabdjian 20 Minuten vor Spielende ein angeblich reguläres Tor von Billy Bremner nicht gibt, rasten die Leeds-Anhänger auf den Tribünen aus. Sitzschalen fliegen durch die Luft, die Polizei muss eingreifen. Die Bayern bleiben cool und gewinnen durch Tore von Franz „Bulle“ Roth und Gerd Müller mit 2:0. Es ist bis heute der einzige Final-Erfolg der Münchner gegen ein englisches Team geblieben…Die Münchner „Löwen“ sind 1965 erst das 2. Team aus Deutschland, das ein Europapokalfinale erreicht. Wie 5 Jahre zuvor Eintracht Frankfurt (3:7) gegen Real Madrid, so verliert auch 1860 München letztlich klar – gegen West Ham United.
Warum? Weil die „Hammers“ im englischen Fußballtempel von Wembley im Finale des Pokalsieger-Wettbewerbs Heimrecht haben. Eine frühe Ausgabe des „Finale dahoam“ von 2012, wenn man so will.
Für die Münchner, die 1966 Deutscher Meister werden, ist dies der entscheidende Nachteil. „Auf neutralem Boden“, ist der frühere „Löwe“ Peter Grosser (80) heute noch sicher, „hätten wir gewonnen.“ Der Meisterspieler von 1966 im Januar 2019 im Kicker-Sportmagazin: „Mit dem Doppelschlag aus der 69. und 71. Minute waren wir aus dem Spiel und der Heimvorteil der Engländer am Ende entscheidend.“
Die Fans sind’s trotz des 0:2 gegen Bobby Moore, Geoff Hurst und Co. stolz: 12.000 Fans sind mit nach London gereist und auch der Empfang am Münchner Flughafen ist bei der Rückkehr überwältigend. Bundeskanzler Ludwig Erhard, der Mann, der den Kicker im Bundestag zur Pflichtlektüre erklärt hat, schreibt in einem Telegramm an die Sechziger. „Sie können stolz darauf sein, als 2. deutsche Fußballelf in ein Europacupendspiel vorgedrungen zu sein. Sie sine einem besseren Gegner ehrenvoll unterlegen.“Im UEFA-Pokal 1999/2000 wird der 1. FC Kaiserslautern schon in Runde 2 Tottenham Hotspur zugelost. Es sind britisch-pfälzische Wochen für die Lauterer, die es in der 1. Runde mit den schottischen No-Names vom FC Klimarnock zu tun haben.
Das Hinspiel an der White Hart Lane verliert die Mannschaft von Trainerfuchs Otto Rehhagel (61) mit 0:1. Alles also noch drin, wenn man an die Magie vom Betzenberg denkt, wo unter Flutlicht schon so manches Spitzenteam eingeknickt ist. Auch Premier-League-Klub Sheffield Wednesday hat 1992/93 beim 1:3 mit diesem Mythos Bekanntschaft gemacht. Zudem hat Lautern einen echten Weltstar im Team: Es ist der französische Weltmeister Youri Djorkaeff, den der Boulevard aufgrund seiner geschmeidigen Spielweise die „Tor-Schlange vom Betzenberg“ tauft. Wie originell.
„Klar gehe ich davon aus, dass es reicht, schließlich spiele ich für Tottenham“, sagt Spurs-Abwehrspieler Steffen Freund vor dem Rückspiel in Kaiserslautern. Das sieht auch so aus. Es läuft bereits die 90. Minute.
Aller Betze-Zauber und sämtlicher sonstiger Hokuspokus scheinen dem FCK nicht zu helfen. Erst ein Tor von Andy Buck (90.) nach Zuspiel von Djorkaeff lässt den Vulkan ausbrechen. Getragen von diesem unglaublichen Torjubel setzt Lautern, Sensationsmeister als Aufsteiger 1998, direkt nach. Ein Eigentor von Stephen Carr, der einen Ball von Djorkaeff in den Kasten von Tottenham-Keeper Ian Walker lenkt, macht die Sensation perfekt. Spurs-Coach George Graham ist hinterher not amused. Seine Entscheidung, den französischen Superstar David Ginola draußen zu lassen, fliegt ihm um die Ohren…2002 stürmt die Bayer-Elf unter Trainer Klaus Toppmöller sensationell ins Finale der Champions League. Auf dem Weg ins Endspiel von Glasgow machen sich die Rheinländer in Schottland immer mehr Freunde, schalten sie mit dem FC Arsenal, dem FC Liverpool und Manchester United doch 3 englische Klubs aus…
Das absolute Highlight der deutsch-englischen Duelle unterm Bayer-Kreuz ist allerdings das Viertelfinal-Rückspiel am 9. April 2002 gegen den FC Liverpool. Das Hinspiel in Anfield hat Leverkusen mit 0:1 verloren.
Das Rückspiel in der BayArena toppt im Toppmöller-Land alles bisher dagewesene. „Emotional gesehen war es sicher das größte Spiel, das je in Leverkusen stattfand“, erzählt Bayer-Geschäftsführer Meinolf Spring 5 Jahre danach in einer premiere-TV-Dokumentation. Leverkusen steckt ein 3:2 von Liverpools Superstar Michael Owen, das den „Reds“ reichen würde, bravourös weg.
Der Brasilianer Lucio erzielt mit einem wuchtigen Vorstoß das 4:2, die kleine BayArena (22.500 Plätze) steht Kopf. „Leverkusen will never walk alone, too“, entrollen einige Fans ein Plakat in der Heimkurve.Die Spieler von Manchester United staunen an diesem 18. April 2001 nicht schlecht.
Fabien Barthez, Gary Neville, Ryan Giggs und Kollegen haben sich im Münchner Olympiastadion vor dem Champions-League-Viertelfinale beim FC Bayern zum Mannschaftsfoto formiert, als ihnen der Schreck in die Glieder fährt. Neben ihnen steht ein gänzlich unbekannter Mann im weißen Manchester-United-Dress. „Was zum Henker machst du auf dem Platz?“, zischt Gary Neville, der als erster die Situation erfasst, den Fußball-Stalker an. Es ist der Berufs-Spaßmacher und Bilderstürmer Karl Power, der mit einem Boulevardmagazin gewettet hat, dass er es bis auf den Rasen von München schafft. Natürlich tut er es für Geld. Für was denn sonst? Das hat er mit Hilfe des nicht kaderfesten Ordnungsdienstes im Stadion vergleichsweise leicht hinbekommen.
„Die Ordner dachten, ich bin Eric Cantona, dabei war der schon längst in Rente“, erzählt Power Ligalive.net. Kurz vor dem Anpfiff marschiert Power seelenruhig hinter die Absperrung.
Sein Schelmenstück ist für Manchester United keine Hilfe. Der FC Bayern München, der schon das Hinspiel mit 1:0 gewonnen hat, spielt wie aus einem Guss. Gallig, torgefährlich, hellwach – und macht durch Tore von Giovane Elber (5.) und Mehmet Scholl (40.) endgültig die Revanche gegen die Engländer für das verlorene CL-Finale 1999 klar. Am Ende holen die Münchner auch den Henkelpott.Es ist die erste komplette Saison, die Jürgen Klopp (51) beim FC Liverpool verbringt. In der Spielzeit 2015/2016 erreicht er mit den „Reds“ auf Anhieb das Europa-League-Finale.
Auf dem Weg nach Basel will die Losgöttin, dass Klopp es mit seinem ehemaligen Klub Borussia Dortmund zu tun bekommt. Der BVB mit Klopps Nachfolger Thomas Tuchel ist im Viertelfinale der Gegner. Das medial unglaublich hochgejazzte Duell zwischen den Schwarzgelben und dem 18-fachen englischen Fußballmeister wird Europacupgeschichte schreiben.
Und das wegen seiner unfassbaren Dramaturgie. 1:1 trennt man sich im Hinspiel im Signal Iduna Park. Vorteil Liverpool, denken sich viele Fans auf Dortmunder Seite. Aber noch gibt es ja bekanntlich ein Rückspiel und so weiter…
Diese Partie am 14. April 2016 scheint nach einer guten Stunde gelaufen. Dortmund führt durch Pierre-Emerick Aubameyang (5.), Henrikh Mkhitaryan (9.) und Marco Reus (57.) bei einem Gegentor von Divock Origi (48.) mit 3:1. Gefühlt muss es aber 1:5 stehen, so sehr schludert Tuchels Hochbegabtentruppe mit den Chancen. Liverpool braucht noch 3 Treffer und geht das Unmögliche mit Riesen-Kampfgeist an. Philippe Coutinho (66.) und Mamadou Sakho (77.) egalisieren zum 3:3, jetzt fehlt nur noch ein Tor. Dieses erzielt der Kroate Dejan Lovren in der ersten Minute der Nachspielzeit. Der „Kop“, Liverpools berühmte Fan-Tribüne, steht Kopp. Selbst Fans, die an den Rollstuhl gefesselt, so erzählt man sich bis heute an der Merseyside, sollen von diesem Tor hochgerissen worden sein. Als noch ein Freistoß von Ilkay Gündogan knapp vorbeigeht, ist alles aus für den BVB.
Borussia Dortmund muss am 23. April 1997 im Champions-League-Halbfinale im „Theater der Träume“ von Manchester einen 1:0-Vorsprung aus dem Hinspiel im Westfalenstadion verteidigen.
Die englische Ausnahmemannschaft von Manchester United mit ihren Stars Eric Cantona, Andy Cole, Peter Schmeichel und dem jungen David Beckham wird vom BVB schon nach 8 Minuten kalt erwischt.
Lars Ricken zieht mit einem Querschuss ab, der ins lange Eck rauscht – 0:1. „Da ist es!“, brüllt der sonst so pragmatisch agierende RTL-Reporter Marcel Reif („Das Beste an diesem Spiel war der Schlusspfiff“) ins Mikrofon.
Der wütende Sturmlauf der „Red Devils“ bleibt in der Folgezeit nicht aus. Dortmund kontert schlecht, dass Cantona und Co. immer wieder zum Tore schießen eingeladen werden. Als der französische Exzentriker Cantona den Ball gegen den am Boden liegenden Jürgen Kohler selbst aus kurzer Distanz nicht im Tor unterbringt, ist sowohl den Engländern als auch den mitgereisten Dortmunder Fans klar: Das kann nur der Fußballgott sein. „Jürgen Kohler Fußballgott“, lautet von nun an das Stakkato auf den Rängen. 1:0 gewinnt die Borussia in Manchester und auch das Finale in München wird gegen Juventus Turin (3:1) von Lars Ricken entschieden. Eric Cantona beendet am Saisonende seine Karriere als Fußballer…Als „Finale dahoam“, als Champions-League-Endspiel in der heimischen Allianz Arena preist der FC Bayern München die letzte Begegnung der „Königsklassen-Saison“ 2011/2012 an.
Damit das auch klappt, hat Uli Hoeneß das Volk der Bayern-Kicker schon frühzeitig eingeschworen: „Da müssen wir dabei sein. Da müssen wir dabei sein!“ Denn: Die stolzen Münchner müssen 2011 als 3. der Bundesliga hinter dem BVB und Bayer 04 Leverkusen in die Qualifikation. Gut, die meistern sie gegen den FC Zürich und mit dem FC Basel ist im Achtelfinale auch ein 2. Schweizer Gegner nur Sparringspartner.
Richtig flockig wird es erst ab dem Halbfinale, wo es im Bernabeu von Madrid ein denkwürdiges Elfmeterdrama gegen Real gibt. Das ist aber nur das Vorspiel zum „Finale dahoam“. Am 19. Mai 2012 ist in München alles angerichtet für die Bayern-Festspiele gegen den FC Chelsea. Dass die Defensivkünstler aus London, die mit ihrer auf Sicherheit bedachten Spielweise beim 2:2 im Halbfinal-Rückspiel in Barcelona den Sky-Experten Matthias Sammer („Wenn das die Zukunft des Fußballs ist, können wir aufhören“) auf die Palme bringen, sich in der Höhle der Bayern durchsetzen könnten, will man in München nicht mal denken.
Im alten Olympiastadion steigt erst das obligate Legendenspiel, dann das große Public Viewing. Oktoberfeststimmung. Dann geht’s raus nach Fröttmaning, in die Allianz Arena. SAT 1 berichtet schon seit Mittag live. Wie groß der Druck wirklich ist, spüren die Bayern während der 90 Minuten gegen die „Blues“. Ein Tor von Thomas Müller, der den Ball nach 83 Minuten irgendwie reinwurschtelt, scheint die Erlösung zu sein. Doch Chelsea hat einen gewissen Didier Drogba in seinen Reihen. Der Ivorer köpft die Engländer in der 89. Minute mit dem 1:1 in die Verlängerung. Ab jetzt geht es auf eigenes Risiko. Arjen Robben scheitert mit einem Foulelfmeter an Chelseas Keeper Petr Cech. „Das gibt es doch nicht“, will es Co-Kommentator Stefan Effenberg nicht glauben. Der Tscheche, den sie im Team „Mister Google“ nennen, sucht sich im Internet stets selbst die wichtigsten Informationen über die gegnerischen Elfmeterschützen. Diese Infos scheinen zu stimmen. Im Elfmeterkrimi hält er gegen Ivica Olic und Bastian Schweinsteiger, in Madrid noch der Elfer-Held der Bayern, trifft den Außenpfosten. Den letzten Ball vom Punkt tritt Drogba – und er macht Chelsea gegen jede Chance zum Champions-League-Sieger 2012. Drama dahoam!Als Borussia Dortmund am 5. Mai 1966 zum Finale im Europapokal der Pokalsieger nach Glasgow reist, spricht nicht viel dafür, dass es mehr als eine launige Dienstreise wird.
„Borussia, wer?“, entfährt es Liverpools erfolgsverwöhntem Trainer Bill Shankly vor dem Spiel. Die Dortmunder nehmen ihm das persönlich und gehen durch Siegfried Held (61.) in Führung. Roger Hunt (68.) gleicht für Liverpool aus. Es geht in die Verlängerung.
In der 107. Minute folgt der große Auftritt des „Stan“ Libuda. Der legendäre Dribbelkünstler bekommt 30 Meter halbrechts den Ball und zirkelt ihn mit einer „Bogenlampe“ einfach Richtung Tor. Seinen eisenharten schottischen Bewacher Ron Yeats schickt er gleich mit ins Netz – 2:1 für Dortmund!
Dabei bleibt es, der BVB holt als erstes deutsches Team einen Europapokal. „An Liverpool kam niemand vorbei. Außer Libuda“, titelt DER SPIEGEL in Anlehnung an ein legendäres Plakat aus den Sechzigerjahren im Ruhrgebiet, auf dem sinngemäß stand: „An Jesus Christus kommt niemand vorbei.“ – „Außer Libuda“, hatte irgendwer darunter mit Kreide gekritzelt. „Mit dem linken Auge bemerkte ich das leere Tor“, schildert Libuda der BILD-Zeitung das Tor, „da hab ich abgezogen. Ich dachte: Jetzt oder nie. Als der Ball in der Luft war, spürte ich: Der geht rein.“UEFA-Präsident Lennart Johansson ist schon mit dem Aufzug auf dem langen Weg von der Ehrentribüne des Estadio Camp Nou in Barcelona zum Spielfeld. Der gemütliche Schwede hat sich schon seine Gratulationsrede für den FC Bayern München bereit gelegt. Als er seinen Platz verlässt, läuft bereits die Nachspielzeit – und die Mannschaft von Ottmar Hitzfeld führt mit 1:0.
Unten angekommen, will Johansson den irgendwie gar nicht fröhlich wirkenden Münchnern gratulieren. Zum Glück bekommt er noch den dezenten Hinweis: „Nein, Herr Präsident. Es ist Manchester United, nicht Bayern.“
Es ist die Schlussanekdote in einem Spiel, über das man ganze Bücher füllen könnte. In der 3-minüten Nachspielzeit hat Manchester United, im Spiel selbst schwach, mutlos und den Münchnern auch technisch unterlegen, die Partie mit 2 Toren der eingewechselten Spieler Teddy Sheringham (für Jesper Blomquist, 67.) und Ole Gunnar Solskjaer (für Andy Cole, 81.) noch herumgebogen – 2:1. Die Münchner sind im Tal der Tränen.
Aber: Sie haben es verpasst, nach dem frühen Freistoßtor von Mario Basler nachzulegen, lassen beste Chancen ungenutzt. Fallrückzieher von Carsten Jancker, ein Lupfer von Mehmet Scholl – gegen das kaiserliche Gesetz von Franz Beckenbauer („Lasst’s des Lupfen!“) – die Bayern wollen die „Red Devils“ in Barcelona demütigen. Doch in dieser Saison gilt: Schluss ist erst, wenn es Man.United sagt. Die Halbfinals gegen Juventus Turin haben die Engländer jeweils erst spät entschieden. Hinzu kommt, dass Hitzfeld Lothar Matthäus 9 Minuten vor dem Spielende rausnimmt und Thorsten Fink bringt. „Das war ein taktischer Fehler von Ottmar Hitzfeld“, sagt Reporterlegende Fritz von Thurn und Taxis später, „damit hat er der Mannschaft signalisiert: Wir sind durch.“