Wunder von Liverpool und Klopp gegen Barca: Eine Frage des Glaubens!
Walking on Water – So heißt die Biografie von Trainerlegende Brian Clough. Sie erscheint 2002. Die von Jürgen Klopp (51) heißt Ich mag, wenn's kracht – und am Dienstag hat es gekracht.
Klipp-Klapp, der Klopp-Klub – Mit 4:0 (1:0) fegt der FC Liverpool mit fast spielerischer Leichtigkeit den FC Barcelona im Halbfinal-Rückspiel der Champions League aus dem Stadion von Anfield und steht zum 2. Mal in Folge unter der Regie des deutschen Trainers im Champions-League-Finale. Seit Klopps Amtsantritt im Oktober 2015 ist es gar das 3. Europacup-Finale für die ,,Reds”.
Das Europa-League-Finale 2016 erreicht Liverpool unter nicht weniger denkwürdigen Umständen. Im Viertelfinal-Rückspiel gibt es ein ähnliches Epos gegen Borussia Dortmund – 4:3 nach 1:3-Pausenrückstand (Hinspiel 1:1) und im Halbfinale ein 3:0 gegen Villarreal nach 0:1 in Spanien. Fast auf den Tag genau 3 Jahre später wackelt Anfield wieder in den Grundfesten. ,,Liverpool kann übers Wasser gehen”, bemüht auch Sky-Reporter Wolff-Christoph Fuss am Ende der unglaublich intensiven 90 Minuten biblische Vergleiche.
Die müssen auch her. Liverpool ist in der Geschichte des 1992 novellierten Meister-Wettbewerbs erst das 4. Team, das einen Rückstand von 3 oder mehr Toren im Rückspiel noch drehen kann. Das gelingt zuvor 2003 den Spaniern von Deportivo La Coruna gegen den AC Milan (4:0 / 1:4), dem FC Barcelona 2017 gegen Paris St.-Germain (6:1 / Hinspiel: 0:4) und im Vorjahr der AS Rom im Viertelfinale – 3:0 nach 1:4 in Camp Nou.Es sind die kleinen Details, die diesen Fußball-Abend in Anfield so besonders machen.
Wer bislang nicht weiß, was ,,This is Anfield” oder ,,We are Liverpool” bedeutet, hat es am Dienstagabend nun auch irgendwie mitbekommen. Das ist mehr als nur liebenswerte Folklore.
Oben, auf der Ehrentribüne, schunkelt ,,King” Kenny Dalglish, 3-facher Meistercupsieger mit Liverpool, nach dem Abpfiff beim ,,You' ll never walk alone” mit, das die Mannschaft komplett vor der Fan-Tribüne ,,The Kop” zelebriert. Unten am Spielfeldrand klatscht LFC-Kapitän Jordan Henderson nach dem Schlusspfiff den Norweger John Arne Riise ab, 2005 im Champions-League-Finale gegen Milan (3:3 n. V. nach 0:3-Pausenrückstand) live dabei bei Liverpools Wunder-Spiel schlechthin und nun TV-Experte, ab. Weiter oben sitzt ,,Captain Fantastic”, Steven Gerrard. Der Mann, der 2005 gegen den AC Mailand und 2006 im FA Cup-Finale gegen West Ham United Liverpool am Leben hält, hat die Hände gefaltet, wie zum Gebet. Es scheint zu wirken!
Liverpool gegen Barcelona – Eine Frage des Glaubens! Jürgen Klopp hat unter der Woche immer wieder zwischen den Zeilen anklingen lassen, dass für ihn die Messi noch nicht gelesen ist. Nicht schlecht nach einem 0:3 in Barcelona. ,,Einer Mannschaft, die nicht daran glaubt, kannst du das nicht vermitteln, meine Mannschaft hat nach dem Hinspiel in Barcelona schon das Gefühl vermittelt, dass für uns noch was drin ist”, sagt Klopp nicht ohne Stolz nach dem Spiel im Sky-Interview, ,,es ist ein bisschen schwer zu kommunizieren, wenn du 0:3 verloren hast. Wir haben das nicht an die große Glocke gehängt, aber intern haben wir schon gesagt: Wir wollen es noch mal probieren.” Klopp stellt klar: ;,An die Chance habe ich noch geglaubt.”Die Entstehung des entscheidenden 4:0 (79.) durch Divock Origi nach einer kurz gespielten Ecke von Trent Alexander-Arnold (20), mit der der englisch Nationalspieler Barcelona übertölpelt, beschreibt Klopp hinterher in seiner unnachahmlichen Art.
,,Das war eine Idee von Trent Alexander-Arnold, 20 Jahre alt, geboren in West Derby, hier in Liverpool, was für ein Kerl”, erklärt der deutsche Coach des LFC den Geniestreich des jungen Mannes, der nach dem Spiel andächtig noch einmal allein eine Ehrenrunde durch das völlig beseelte Stadion dreht. ,,Diesen Ball triffst Du nur ein Mal von 10 Mal so, dass er direkt aufs Tor kommt”, befindet Weltmeister Lothar Matthäus bei Sky.
Liverpool gegen Barcelona 4:0 – Eine Frage des Glaubens, aber auch die Stunde der Kritiker und ein Fest für die Komödianten. War die Messi nach dem Hinspiel (3:0) schon gelesen, so müssen wir diese Zeile schnellstens ins Archiv stellen. Lionel Messi bekommt es von den Kritikern nach der blutleeren Vorstellung seiner Mannschaft in Anfield dicke. ,,Es hat der Messi gespielt, der eigentlich in Argentiniens Nationalmannschaft spielt”, kritisiert Lothar Matthäus. Die spanischen Medien sind fassungslos. ,,Barca ist in Europa nicht mehr zu helfen”, gibt die Zeitung El Pais ,,Mes que un Club” auf. Für El Mundo ist alles Glaubenssache: ,, Man wird viel über die Hölle von Anfield reden. Über seine Liturgie. Über das emotionale Comeback von Liverpool, dem es gelang mit einem 3:0 gegen Camp Nou das Finale der Champions League zu erreichen. Aber wenn Barcelona an einem weiteren unverzeihlichen Abend senkrecht abstürzte – härter als noch vor einem Jahr in Rom – dann lag es einfach an seinen eigenen Sünden.” Der britische Autor und Aston-Villa-Fan Danny Brown kalauert nach dem Rückspiel (Engl.: 2nd leg) bei Facebook: ,,In Liverpool ist ein 2nd leg zuletzt mit so einer Überzeugung weg geworfen worden, als Paul McCartney Streit mit Heather Mills hatte…”
Das Schlusswort bleibt Jürgen Klopp vorbehalten. Die Frage, ob er in 50 Jahren noch an dieses Spiel denken wird, beantwortet der 51-Jährige mit der ihm eigenen Ironie: ,,Ich hoffe, dass ich mich in 50 Jahren noch daran erinnern kann. Das wäre richtig cool.” Frei nach Spaßmacher Louis de Funes: ,,Wir sehen uns wieder in 50 Jahren”.