Das ist die neue Modedroge im Profifußball
Das ist die neue Modedroge im Profifußball. Es war 26 Jahre in Europa verboten und ist krebserregend
Es war 26 Jahre in Europa verboten und ist krebserregend. Der Verkauf des Stoffs ist in fast ganz Europa illegal. Der private Konsum ist weitgehend straffrei.
In Schweden darf das „Zeug“ als einziges Land in der EU legal gekauft werden. In Norwegen nehmen es mehr Menschen zu sich als Zigaretten.
Ein Döschen mit einem Verkaufsgewicht von 11,7 Gramm enthält in der Regel 18 Portionen. Jede Portion ist ungefähr 3-mal so giftig wie eine durchschnittliche Zigarette. Jedenfalls wenn es um Nikotin geht.
Das Zeug heißt Snus, manchmal wird es auch Snuff genannt. Bei Ebay kostet ein Pot extrem starken Snus ca. 8.50 Euro.Snus ist rauchfreier Pudertabak, genauer ein Gemisch aus Tabak, Wasser, Salz und Aromen, dessen Nikotin über die Mundschleimhaut in den Körper gelangt.
Es wird in Dosen verkauft, die Beutel oder losen Tabak mit unterschiedlichen Mengen an Nikotin und unterschiedlichen Geschmackrichtungen enthalten. Der Verkauf ist in Deutschland llegal, der Konsum nicht. Der Oraltabak kann problemlos importiert werden. Das wird er auch. In der Regel aus Skandinavien, insb. aus Schweden, wo Snus seit dem frühen 19. Jahrhundert verbreitet ist.
Snus wird “Snüs” ausgesprochen. Es gibt ihn in diversen Geschmacksrichtungen. Fast wie Eis. Von Himbeere, Vanille, Lavendel bis hin zu Cola, Zitrone oder Mango. Snus macht süchtig und erhöht die Leistung. Es ist kein Doping. Der Konsum von Fußballern kann deshalb nicht bestraft werden.
Snus wird nicht gekaut. Man schiebt sich die Päckchen unter die Oberlippe. Über die Mundschleimhaut gelangt das Nikotin schnell ins zentrale Nervensystem. Lässt die Wirkung des giftigen Nikotins nach, spuckt man den Tabak wieder aus.Snus macht wach und angstfrei, die Reaktionsgeschwindigkeit wird erhöht. Ideal für Fußballer als Mittel zur Leistungssteigerung. Snus schädigt die Gesundheit, aber es wird es toleriert.
In Schweden wird Snus “Eishockey-Droge” genannt. Bei den Kufencracks aber auch bei vielen skandinavischen Fußballern gehört es mittlerweile dazu wie das Paar Schlittschuhe oder die neuen Fußballtreter.
Snus steigert die Aufmerksamkeit und Belastbarkeit, fördert die Leistungsfähigkeit. Als Doping gilt es allerdings nicht. Zwar steht der Tabak auf der Beobachtungsliste der Welt-Antidoping-Agentur WADA, aber seine Zuführung ist nicht verboten.
Trotzdem kann man Snus in der EU nur in Schweden kaufen. In Deutschland und den anderen EU-Ländern ist der Verkauf seit 1992 verboten. Weil der private Konsum erlaubt ist, verbieten die Fußballvereine ihren Spielern den “Genuss” in der Regel auch nicht.Snusen ist ähnlich gesundheitsgefährdent wie Rauchen. Das Aufputschmittel ist kein Dopingmittel und darf zur Leistungssteigerung verwendet werden. Mediziner warnen vor Snus.
“Ein Säckchen gefüllt mit Lutschtabak ist so stark wie drei Zigaretten. Das Nikotin wird über die Mundschleimhaut aufgenommen und gelangt direkt ins zentrale Nervensystem”, sagte Dr. Detlev Brandecker, Mannschaftsarzt von Handball-Bundesligist THW Kiel im Frühjahr 2018 dem NDR.
“Das Zahnfleisch kann irreversibel zurückgehen, die Zähne können geschädigt werden. Und es gibt Studien, die belegen, dass eben auch in Snus bis zu 28 krebserregende Stoffe sind.”
Am Tabakkonsum sterben weltweit jedes Jahr mehr als sieben Millionen Menschen. So schätzt es die Weltgesundheitsorganisation WHO. Forscher des schwedischen Karolinska-Instituts fanden im Jahr 2007 heraus, dass Snuskonsumenten mit einem erhöhten Risiko für Bauchspeicheldrüsenkrebs leben. Die Wissenschaftler konnten keinen Zusammenhang mit Mund- oder Lungenkrebs herstellen.Snus gilt als Trenddroge im Profisport. Vor allem junge Spieler greifen zu, auch in der Bundesliga ist Snus offenbar sehr verbreitet. Marco Reus und sein früherer Teamkollege Emre Mor sollen zum Lutschtabak greifen, auch wenn sie sich nicht öffentlich dazu äußern. Reus zeigte sich dafür aber 2015 auf Instagram mit einer Dose Thunder, einem bekannten Hersteller von Snus.
In der Fußball-Bundesliga scheinen weitere Kicker zum Aufputschmittel zu greifen. Nach einem Bericht der “Bild” schiebt sich Havard Nordtveit, norwegischer Abwehrspieler bei 1899 Hoffenheim, regelmäßig Snus unter die Oberlippe. In Hoffenheim sieht man das gelassen. Pressesprecher Holger Kliem auf eine SWR-Anfrage im Frühjahr 2018: “In Norwegen ist es ein Stück Kultur, Snus zu konsumieren.”
Langläufer, Skispringer, Fußballer – fast alle Leistungssportler putschen sich in diesem Land damit auf. In der Schweiz soll sogar die Hälfte aller Eishockeyspieler snusen. Aber nicht nur in Skandinavien wird kräftig “gesnust”. Der SWR und der NDR machten im Frühjahr 2018 eine größere Reportage zum Thema Snus, die Wochenzeitung „Die Zeit“ auch. Ein Profi des SC Freiburg, der anonym bleiben wollte, schätzte gegenüber dem NDR, dass ca. 25 % der Profifußballer Snus konsumieren würden.
Snus wird in der Regel von den Vereinsbossen nicht verboten. Auch nicht beim VfB Stuttgart. Dort steht man auf dem Standpunkt, dass es die Verantwortung des Spielers sei, Snus zu konsumieren oder nicht. Über die Anzahl der Snus konsumierenden Spieler im Team wisse man nichts. So der Verein im Frühjahr 2018 gegenüber dem SWR.
Auch in der Premier League konsumieren die Spieler Snus. Bei Leicester City fanden Journalisten nach einem Spiel benutzte Nikotinbeutel neben der Auswechselbank. Jamie Vardy bekannte in seiner Autobiografie, dass er und auch andere Spieler regelmäßig Snus nehmen würden. Gerade auch während des Spiels. Pierre-Emerick Aubameyang und Newcastles Spieler Jamaal Lascelles sind Abonnenten von Social-Media-Accounts, wo man den Tabak kaufen kann.Über seinen Konsum von Snus berichtete der Ex-Zweitligaprofi Marcel Thomas vom VfL Bochum gegenüber dem Wochenmagazin „Die Zeit“ im April 2018. Thomas beendete seine Karriere im Jahr 2016 wegen anhaltender Leistenprobleme.
Er bekannte, zu seiner aktiven Zeiten Snus-Beutel konsumiert zu haben, die ca. 44 Milligramm Nikotin enthielten. Das sind mehr als drei Zigaretten auf einmal. Heute, so der 25-Jährige, nehme er Snus nur noch gelegentlich zu sich, und wenn, dann würden die Portionen viel weniger Nikotin enthalten.
Ein Spieler aus der Regionalliga Nord, der anonym bleiben wollte, erzählte dem NDR von seiner ersten Erfahrung: “Ich habe mir das vorm Training reingefetzt. Mein Zahnfleisch hat wie Hölle gebrannt. Schon beim Schuheanziehen in der Kabine habe ich gezittert. Beim Aufwärmen war mir dann richtig schlecht, ich dachte, ich muss kotzen. Ich hatte Schweißausbrüche. Der Überlebenskampf war aktiviert. Als der aber vorbei war, habe ich richtig heftig gespielt.”
Der Spieler wollte gegenüber anonym bleiben, um seinen Verein und sich zu schützen. Auch er ging davon aus, dass “mehr als ein Viertel aller Profi-Fußballer in Deutschland” Snus nehmen würden. Bei einem Zweitligisten würden laut seinen Informationen sogar Spieler und auch Mitglieder des Trainerteams mit den Nikotinbeuteln zwischen den Zähnen auf der Bank sitzen.Manche Fußballer nehmen Snus um sich hoch zu putschen, andere um runter zu kommen.
So beschreibt der Sportwissenschaftler Froböse den Snus-Konsum in der Szene: “Es kommt auf die Dosierung an: Snus mit einem hohen Nikotinanteil putscht auf, eine geringe Dosis sorgt für Entspannung.”
Die körperlichen Auswirkungen von Snus kann man noch nicht nachweisen. Fest stehe nur, dass es die mentale Leistungsfähigkeit fördere. “Studien belegen, dass Snus aufputschend und stimulierend wirkt”, sagt Froböse.
Das in Snus enthaltende Nikotin macht süchtig, vielen Sportlern ist das egal. Denn im Vergleich zum Rauchen wirkt sich Snus nicht negativ auf die Lungenfunktion aus. Es gibt keine konditionellen Einschränkungen.
Die Spieler denken aber auch nicht darüber nach, ob es schädlich ist. Sie haben nur Angst davor, dass sie es bei einem Verbot nicht mehr nehmen können”, stellt Marcel Thomas gegenüber dem Wochenmagazin “Die Zeit” als Fazit fest.