Lutz Eigendorf – Profikarriere und Tod des DDR-Spielers
Lutz Eigendorf, der nur 27-Jahre alt wurde, war in den siebziger und achtziger Jahren ein gefragter Profifußballer. Er starb alkoholisiert bei einem schweren Verkehrsunfall. Aber da er zuvor aus der DDR geflüchtet war, wird heute Mord als Lutz Eigendorfs Todesursache vermutet.
So begann seine Karriere auf dem Rasen
Im Jahr 1964 begann er, für den Verein BSG Motor Süd Brandenburg zu spielen. Während er die Kinder- und Jugendsportschule besuchte, wechselte er dann zum Berliner DDR-Rekordverein BFC Dynamo. Heute sagt man, der Verein galt als der „Stasi-Verein schlechthin“. In der Saison 1974/75 schaffte er es als 18-Jähriger Juniorenauswahlspieler, in die Oberligamannschaft seines Vereins aufzusteigen. 100 Oberligaspiele bestritt er insgesamt für den BFC, 7 Tore erzielte er dabei. Er trat in seiner aktiven Zeit für den Verein vier Mal im UEFA Cup an. Er war außerdem im Kader der U18-Mannschaft für die inoffizielle Europameisterschaft, und für die U-21-EM. Für die DDR-Nationalmannschaft stand er in sechs Saisons auf dem Rasen.
Die Flucht in die Bundesrepublik
Am 20. März 1979 hatte der BFC ein Freundschaftsspiel in der Bundesrepublik Deutschland – beim 1. FC Kaiserslautern. Am nächsten Tag gab es für die Mannschaft des BFC einen Stadtbummel in Gießen. Und Gießen war damals die erste Anlaufstelle für DDR-Flüchtlinge in der BRD. Lutz Eigendorf nutzte seine Chance – und setzte sich von der Mannschaft ab. Er nahm sich ein Taxi, um zum FC Kaiserslautern zurückzukehren. Dort bewarb er sich als Spieler – und verbrachte einige Tage unter falschen Namen in einer Pension, später nahm ihn der Geschäftsführer des FC Kaiserslautern selbst in seine Wohnung auf.
Reaktionen in der DDR
In der DDR wurde seine Flucht zwar wenig in den Nachrichten thematisiert, Souvenirs mit seinem Namen wurden jedoch vernichtet. Was aber viel schlimmer war: Lutz Eigendorf geriet ins Visier der Stasi, ebenso seine Familie. Seine damalige Ehefrau und die gemeinsame Tochter standen unter ständiger Beobachtung der Stasi, und seine Frau wurde schließlich von ihm geschieden. Sie heiratete später erneut, aus der Ehe ging ein weiteres Kind hervor. Heute weiß man, ihr neuer Ehemann war ein Spitzel der Stasi, der auf die Trennung hinwirken sollte und gezielt eine Beziehung mit Eigendorfs Ehefrau anfangen sollte. Sie bekam später ein Kind mit ihrem neuen Ehemann.
Folgen seiner Flucht und neue Fußballkarriere
Nachdem Eigendorf weder mit Hilfe seiner Familie, noch mit einem Amnestie-Versuch zurück in die DDR wollte, wurde schließlich ein Haftbefehl gegen ihn erlassen. Der BFC beantragte außerdem noch am Tag seiner Flucht eine zweijährige Sperre für den Fußballer. Nachdem er jedoch den Verein wechselte, wurde er von der FIFA in der Bundesrepublik Deutschland nur ein Jahr gesperrt. Er arbeite in dieser Zeit unter anderem als Trainer im 1. FCK, nach seiner Sperre erhielt er dann endlich seinen Profivertrag – mit einem Jahresgehalt von damals 100.000 D-Mark. Für Kaiserslautern spielte er seit 1980, und nahm dabei an 53 Ligaspielen und vier Pokalspielen teil. Er erzielte dabei sieben Tore. Beim UEFA-Pokal sah man ihn zehn Mal auf dem Rasen, einmal erreichte er dabei sogar das Halbfinale. Auswärtsspiele nach Sofia und Moskau blieben aus Sicherheitsgründen jedoch Tabu für ihn.
Im Juni 1982, wenige Monate vor seinem Tod, wechselte er über eine Ablöse zum Verein Eintracht Braunschweig und zog dafür innerhalb der BRD um. Nach einer Verletzung sah man ihn später bei acht Ligaspielen und einem Pokalspiel für seinen neuen Verein.
Der Unfalltag und eine Theorie über seinen Tod
Am 5. März 1983 saß er bei einem Heimspiel seiner Mannschaft lediglich auf der Ersatzbank, seine Mannschaft erlitt jedoch eine Niederlage. An diesem Abend begab er sich in seine Stammkneipe, und später in seinen Sportwagen, um nach Hause zu fahren. Die Straße war nass, er war nicht angeschnallt und man fand bei einer Untersuchung seines Bluts einen Blutalkoholgehalt von 2,2 Promille vor. Zwei Tage nach dem Unfall starb Lutz Eigendorf an seinen schweren Kopfverletzungen. Damals schien Lutz Eigendorfs Todesursache klar zu sein – aufgebracht durch das verlorene Spiel seines Vereins kam er alkoholisiert und unangeschnallt von der nassen Fahrbahn ab.
Lutz Eigendorfs Todesursache
Später sah man den Vorfall jedoch mit anderen Augen: Als Republikflüchtling und Spieler des BFC hat sich Eigendorf die Stasi zum Feind gemacht. Und der Präsident des BFC, Erich Mielke, war auch noch der Minister für Staatssicherheit höchstpersönlich. Daher hatte sein Verein auch den Ruf, der absolute „Stasi-Verein“ zu sein. Und Erich Mielke soll die Flucht seines großen Talents persönlich genommen haben. Aus später eingesehenen Stasi-Unterlagen ging hervor, dass damals unzählige Spitzel auf Eigendorf angesetzt worden waren. Und Eigendorf hatte zu seiner zusätzlichen Belastung auch noch einige Regime-kritische Interviews gegeben.
Nachforschungen und neue Erkenntnisse
Im Jahr 2000 wurde der ARD-Film „Tod dem Verräter“ erstellt, und brachte einige neue Theorien für Eigendorfs Mord ans Licht. Demnach soll der Historiker und Ersteller des Films, Heribert Schwan, sogar in alten Stasi-Akten einen handschriftlichen Beweis für die Anordnung zu Eigendorfs Tod gefunden haben. Mit der Hilfe der Aussagen ehemaliger Stasi-Mitarbeiter wurde der Unfall rekonstruiert: Eigendorf soll in seinem Auto gekidnappt worden sein, und ihm unter Androhung des Todes Alkohol mit Gift verabreicht worden sein. Aus Angst und der Aufforderung zu verschwinden, soll er losgerast sein, und ein anderes Auto soll ihn mit Fernlicht in der Kurve am Unfallort geblendet haben. Ebenfalls steht der damalige Stasi-Spitzel Karl-Heinz Felger unter Verdacht. Der ehemalige Weggefährte Eigendorfs aus der DDR gestand 2010 vor Gericht, den Mordauftrag angenommen zu haben, ihn jedoch nicht ausgeführt zu haben.
Lutz Eigendorfs Familienangehörige
Lutz Eigendorf hinterließ eine Tochter mit seiner ersten Ehefrau, und einen Sohn, der in seinem Todesjahr von seiner neuen Ehefrau auf die Welt gebracht wurde. Seine Eltern erhielten für die Beerdigung eine Reiseerlaubnis. Sie kehrten danach jedoch nicht wieder zurück in die DDR.
Bis heute ist die letztendliche Todesursache Lutz Eigendorfs nicht vollständig geklärt. Teilweise fehlen Akten der Stasi. Es deutet jedoch alles darauf hin, dass sein Unfall kein Zufall gewesen ist, sondern ein geplanter Mord – als Rache für seine Flucht aus der ehemaligen DDR.