Die Flucht von DDR-Star Frank Lippmann beim ,,Wunder von Uerdingen”
Das ,,Wunder von Uerdingen” wurde für Dynamo Dresden zum Desaster. Stürmer und DDR-Star Frank Lippmann nutzte das Spiel zur Flucht.
Fußball-Deutschland erlebte am 19. März 1986 das ,,Wunder von Uerdingen”. Bayer Uerdingen drehte gegen den DDR-Pokalsieger Dynamo Dresen ein 0:2 aus dem Hinspiel und einen 1:3-Pauenrückstand in ein 7:3 um. Dresden-Stürmer Frank Lippmann nutzte das ,,Wunder von Uerdingen” und den Trubel in Krefeld zur Flucht in den Westen. Dabei hätte ,,Lippe” gar nicht mitreisen dürfen…
Das ,,Wunder von Uerdingen” ist bis heute im kollektiven Gedächtnis deutsche Fußballfans geblieben. Auch, wenn beide Klubs seit Jahren nur noc h in der 4. Liga, in der 3. Bundesliga oder in der 2. Bundesliga spielen. Nach dem 19. März 1986 hatten Uerdingen und Dresden die Fußball-Schlagzeilen für sich. Die verrückteste Geschichte rund um das Europapokal-Viertelfinale der Pokalsieger am 19. März 1986 lieferte in Uerdingen Dresden-Stürmer Frank Lippmann (damals 24).
Der Dynamo-Angreifer setzte sich nach der Partie in den Westen ab. Er kam zunächst bei Verwandten in Nürnberg unter. Frank Lippmann schloss sich nach seiner Flucht 1986 dem 1. FC Nürnberg in der Bundesliga an. Auch für den SV Waldhof Mannheim spielte er in der Bundesliga. Seine Familie, Frau und Kleinkind, holte er über einen Fluchthelfer via Ungarn wenig später ebenfalls in die Bundesrepublik Deutschland.
Lippmann hatte auch im Hinspiel (2:0) am 5. März 1986 für Dynamo getroffen. Dennoch sollte er nicht mit nach Düsseldorf fliegen. Kleinere Alkohol-Eskapaden hatten Lippmann bei Trainer Klaus Sammer in Ungnade fallen lassen. Dennoch drückte die Staatssicherheit (Stasi) den Einsatz des Stürmers im Rückspiel bei Sammer durch. Dass Frank Lippmann diese Gelegenheit zur Flucht in den ,,goldenen Westen” nutzen sollte, ahnten sie in Ost-Berlin wohl nicht… ,,Ich sagte zu ihm: Lippe, wenn ich hier was zu sagen hätte, wärst du rausgeflogen.” Soweit der klare Standpunkt von Dynamo-Coach Sammer.
Nun hatte Lippmann in der Partie in Uerdingen sein 14. Europacupspiel gemacht. Er erzielte dabei sein 5. Tor. Mit dem 2:1 von Lippmann in Uerdingen schien Dynamo Dresden endgültig auf der Siegerstraße. Dann folgte die irre Flucht des Frank Lippmann. Und die unglaubliche sportliche Wende zugunsten der Uerdinger. 7:3 nach 1:3 zur Pause. Uerdingens Trainerfuchs Karl-Heinz ,,Kalli Feldkamp (,,Welcome to the Hotel Kalli Feldkamp”) griff zu einem Trick. Der für die Bayer 05-Heimspiele zuständige Werkschutz des Chemie-Riesen postierte sich rund um das Spielfeld. Um die Bälle den Bayer-Kickern schneller zuzuwerfen, das Spiel schnell zu machen. ,,So schnell sind die Werkschutz-Leute noch nie hinter dem Ball hergelaufen.” Das sagte Kalli Feldkamp in der Sportschau-Dokumentation Aufholjagd im Europapokal – Das Fußball-Wunder von Uerdingen.
Und Frank Lippmann? Er landete am 20. März 1986 in der 20-Uhr-Sendung der Tagesschau. Für Dynamo Dresden war die Flucht von Lippmann eine Voll-Katastrophe. Um 4.15 Uhr, so meldete das Protokoll, war ,,Lippe” weg. ,,Man hat mir gesagt, dass er die Mannschaft verlassen hat.” So erzählte sein Zimmerkollege, Dresden-Idol Hans-Jürgen Dörner später.
Die ohnehin geschockten Dresdner Verantwortlichen um Trainer Klaus Sammer, den dieses Spiel den Job kostet, bemerkten Lippmanns Flucht am nächsten Morgen. Beim Abflug vom Düsseldorfer Flughafen fehlte Lippmann im Dresdener Tross. ,,Es war für ihn die einfachste Sache der Welt, in den Westen abzuhauen, wenn er schon drüben war.” Jahre später kann Ex-Dynamo-Coach Klaus Sammer über die Flucht von Lippmann schmunzeln. ,,Macht's gut, Ihr Arschlöcher”, soll Lippmann laut BILD noch gesagt haben. ,,Ich habe mich köstlich amüsiert”, sagte Sammer später.
Wohl auch, weil Lippmann die mitgereisten Stasi-Leute und die Dynamo-Führung so banal austrickste. Er nahm einfach einen Hinterausgang aus dem Hotel. ,,Mit dem Lift in die Freiheit”, titelte BILD am 20. März 1986. ,,Den Schritt tatsächlich zu tun, weil nur möglich, weil ich Leute hatte, die mir geholfen haben.” Das sagte Frank Lippmann zu seiner Flucht. Die Dynamo-Führung wurde nach der Rückkehr sofort in die Stasi-Zentrale nach Ost-Berlin zitiert.
Es folgten Erklärung und lange Berichte. Und die Trainerentlassung von Klaus Sammer, Vater von Europameister Matthias Sammer (damals 18). Der BVB-Meistercoach von 2002 stand in Uerdingen, ebenso wie der spätere Leverkusen-Star Ulf Kirsten, in der Startelf der Dynamos.