Hamburger SV: Ein Verein schafft sich ab
Wenn man denkt, das Sommerloch hat einem fest im Griff, dann kommt… von irgendwo was vom HSV!
BILD Hamburg bringt es am Mittwoch auf der Titelseite, das Portal Sportbuzzer.de liefert weitere Details. ,,HSV baut die Dino-Uhr ab”, heißt es bei BILD zur schrulligsten bzw. mit am meisten verachteten Stadion-Anzeige im deutschen Fußball. Die ,,Dino”-Uhr hat seit 2001 immer die Anzahl der HSV-Jahre in der Bundesliga angezeigt.
Egal, wie das Stadion heißt, die Namen wechseln mitunter noch häufiger als die der Trainer, die Uhr bleibt. Auch Greuther Fürth und der Karlsruher SC vermögen sie trotz rührender Kampfansagen vor den Relegationsspielen 2014 bzw. 2015 gegen die Hamburger nicht abzuschalten.
Die Gladbacher Fans machen sich schließlich den Final-Spaß. Als sich am letzten Spieltag der Saison 2017/2018 in der 2. Halbzeit der Partie des HSV gegen die Borussia (2:1) der historische Abstieg der Hanseaten endgültig abzeichnet, zeigen sie im ,,Dino-Uhr”-Design im Gästeblock den Countdown. Nicht die feine rheinische Art, eher der blanke Spott für das Relikt im Volkspark.Neuer Fußball, neue Zeiten. So denkt wohl auch der allmächtige HSV-Vorstandsboss Bernd Hoffmann. Vielleicht hat man sich auch deshalb von HSV-Stürmer und Identifikationsfigur Pierre-Michel Lasogga (27, jetzt Al-Arabi, Katar) getrennt.
Für Hoffmann ist nach dem Lasogga-Ohnsorg-Theater nun auch Schluss mit der Uhren-Dreherei. Deren Anzeige wird, gewohnt innovativ, nach dem Bundesliga-Abstieg in ,,Tradition seit 131 Jahren”… umgewandelt. Seitdem tickt sie still und unbemerkt in der Nordwest-Ecke des Stadions, wo die treuen Fans in den letzten Jahren viel über sich haben ergehen lassen, vor sich hin. Wie lange noch, das kann man sich ausrechnen. Am 8. Juli 2019 wird die Uhr, einst vom Energiekonzern HEW für das Volksparkstadion spendiert, endgültig demontiert.
,,Wir haben bereits in der vergangenen Saison entschieden, die Uhr abzubauen”, erklärt Bernd Hoffmann (54) am Mittwoch in BILD Hamburg, ,,wir möchten uns in die Zukunft ausrichten, dabei hilft uns der ständige Blick in den Rückspiegel nicht.” Wie diese Ausrichtung aussehen soll, sagt er nicht…
Damit aber nicht genug. Hoffmann dreht an der Uhr und der Fanklub-Verband sägt indes noch an einem weiteren, verbliebenen Eckpfeiler der HSV-Tradition.Es geht um die Hymne ,,Hamburg, meine Perle”. Von Sänger und HSV-Stadionsprecher Lotto King Karl und dem früheren ,,Clowns & Helden”-Sänger Carsten Pape vor jedem Spiel live und auf einem Kran vor der Nordtribüne gesungen, ist sie so eine Art letztes Alleinstellungsmerkmal eines Vereins, der dabei ist, sich selbst zu verlieren.
Die Hymne erzählt davon, dass ,,Geld keine Tore schießt”, ,,wenn du aus Dortmund kommst” und dass ,,wir dir die Lederhosen ausziehen”, ,,wenn du aus München kommst.” Mächtig viel Folklore und große Töne – dabei liegen die letzten Heldentaten des HSV gegen den BVB und die Bayern bei allem gebotenen Respekt schon ein bisschen länger zurück.
Dennoch: Dieses Lied, in dem auch viel Melancholie mitschwingt, gehört zum HSV, garantiert auch neutralen Beobachtern vor dem Bildschirm und erst recht im Stadion Gänsehaut. Dem 65.000 Mitglieder zählenden HSV Supporters Club, mächtigste Fan-Vereinigung der Norddeutschen, scheint das nicht zu tangieren.
Der Verband befürwortet neben dem Ende der Stadion-Uhr auch das ,,Aus” für die Lotto-King-Karl-Hymne. Das berichtet Sportbuzzer.de am Mittwoch. In einem Statement hat Supporters-Boss Tim-Oliver Horn den HSV ,,zu mehr Glaubhaftigkeit” aufgefordert. ,,Genauso ist es mit der Stadionhymne, in der es in keiner Textstelle um den HSV geht, in der wir immer noch von Juve oder Rom träumen und in der wir heute noch davon singen, dass es für Bremen hier nix zu holen gibt”, so der Fan-Funktionär in einem offiziellen Twitter-Statement, ,,wollen wir mal ehrlich sein? Bremen hat uns über Jahre abgehängt, hat uns am Ende immer geschlagen, wenn es darauf ankommt und wir singen: „…gibt’s für dich hier nix zu holen. Bei der Uhr machen wir jetzt den aus unserer Sicht richtigen Schritt und sie landet im Museum.” Wir wollen uns ja nicht einmischen und mit der Selbstironie ist es im deutschen Fußball ja so eine Sache, aber vielleicht hilft möglicherweise das Ersetzen der Bremen-Zeile durch Sandhausen…?