WM 2014: Luis Suarez – Der weiße Hai des Fußballs schlägt wieder zu
Im Vorrundenspiel der WM 2014 zwischen Italien und Uruguay beißt Luis Suarez seinen Gegenspieler Chiellini. Es ist nicht der erste Biß des Stürmers. Rote Karte!
„Das böse Ich im Menschen“ – diese Headline im Bestsellerbuch Fußball-WM 2014 von SPORT BILD passt zu dieser grauenvollen, dieser unfassbaren Szene, die sich am 24. Juni 2014 im brasilianischen Natal abspielt.
Im entscheidenden Spiel der Gruppe D zwischen Uruguay und Italien läuft die 79. Minute. Nur mit einem Remis kann sich der Weltmeister von 1930 und 1950 aus Uruguay noch fürs Achtelfinale qualifizieren und den Traum von einem zweiten WM-Triumph in Brasilien am Leben erhalten. Dass es durch ein spätes Tor von Diego Godin (81.) gelingt, verkommt zur Fußnote.
Zwei Minuten zuvor hat ein Anderer die Fußballwelt wieder einmal in Entsetzen gehalten: Luis Suárez. Der Stürmerstar des FC Liverpool schleicht sich an seinen Gegenspieler Turiner Giorgio Chiellini heran – und beißt ihm in die linke Schulter. Während sich der Beißer Suárez schmerzverzerrt den Kiefer hält, zeigt der vollkommen aufgelöste Chiellini Schiedsrichter Marco Rodriguez aus Mexiko seinen Oberarm – mit den Zahnabdrücken von Suárez!
Der Referee aus Mittelamerika gibt sich im Glutofen von Natal bei 35 Grad und 45 Prozent Luftfeuchtigkeit gänzlich unbeeindruckt. Er hat die Beiß-Attacke nicht gesehen – und lässt das Spiel einfach weiterlaufen. Suárez sieht nicht einmal Gelb. Während die internationalen Medien ihm sämtliche Beißer-Spitznamen verpassen – von Dracula über Hannibal Lecter und den weißen Hai des Fußballs ist so manch kreatives Schimpfwort in der Verlosung – hält nur einer zu ihm.
Es ist einer, der das Spießrutenlaufen nach einem WM-Skandal nur allzu gut kennt: Argentiniens Fußballlegende Diego Armando Maradona. „Warum schickt man ihn nicht gleich nach Guantanamo?“, sagt „El Diego“ voller Ironie, „wen hat er getötet? Das ist ein unglaubliches Mafia-Ding.“
Ist es nicht. Denn Suárez ist ein Wiederholungstäter. Eigentlich ein treu sorgender Familienmensch. Doch „El Pistolero“, dieser geniale Strafraumstürmer, der mit der Empfehlung von 69 Toren in 110 Liga-Spielen für Liverpool nach der WM zum FC Barcelona wechseln wird, hat alles – aber keine Selbstkontrolle. Zum ersten Mal kraftvoll zugebissen hat Luis Suárez im November 2010 bei einem Spiel seines damaligen Klubs Ajax Amsterdam in der niederländischen Eredivisie gegen den PSV Eindhoven. Otman Bakkal wird ebenso in die Schulter gebissen wie der beklagenswerte Italiener Chiellini – und Suárez wird für sieben Spiele gesperrt.
Bei einer WM ist er schon mal aktenkundig geworden. Im Viertelfinale 2010 gegen Südafrika verhindert er mit einem absichtlichen Handspiel auf der Torlinie gegen Ghana den 2:1-Siegtreffer und Uruguays Aus.
Anders als bei Platzverweisen üblich, verlässt der Hand-Spieler nicht den Stadion-Innenraum im Stadion Soccer City von Johannesburg, sondern bejubelt den Fehlschuss des Ghaners Asamoah Gyan demonstrativ. „Sebastian Eguren hielt mich auf, dadurch wurde ich im Spielertunnel Zeuge des verschossenen Elfers“, erzählt er Anfang Juni 2018 dem Kicker-Sportmagazin in einem Interview. Von Reue auch nach acht Jahren keine Spur.
Suarez der Wiederholungsbeißer
Im April 2013 beißt Suárez wieder zu. Opfer des Fußball-Kannibalen ist dieses Mal der Russe Branislav Ivanovic von Liverpools Liga-Rivale FC Chelsea. Der englische Fußball-Verband hat für Suárez‘ Entgleisung keinen Nerv – und zieht ihn für zehn Spiele aus dem Verkehr.
Zeit genug für einen Zahnarzttermin – oder noch besser: Für einen Besuch beim Psychologen. „Er muss einen Weg finden, dass er aufhört, solche Dinge zu tun“, empfiehlt ihm FIFA-Generalsekretär Jerome Valcke nach der Beiß-Attacke gegen Chiellini, von der Suárez anschließend behauptet, man solle „diesen Begebenheiten keine allzu große Bedeutung zumessen“, „er muss sich behandeln lassen.“
Die FIFA straft den Beißer hart. Für vier Monate und zusätzliche neun Länderspiele wird Luis Suárez ausgesperrt. Zudem verliert er seine WM-Akkreditierung für das Turnier in Brasilien. Beim Achtelfinal-Aus Uruguays gegen Kolumbien (0:2) ist er nicht mehr beim Team. „Vier Monate Sperre: Die FIFA zieht Luis Suárez die Zähne“, jubelt der österreichische Kurier.
Während sich Uruguays Staatspräsident José Mujica nach der Rückkehr nach Montevideo demonstrativ auf Suárez‘ Seite stellt und auch der gebissene Chiellini („Ich glaube, dass diese Strafe übertrieben ist“) Milde zeigt, gibt es Haue von einer Legende. Es ist der 88-jährige, letzte noch lebende Weltmeister Uruguays von 1950, Alcides Ghiggia. „Was er getan war, war falsch“ – Haue von einem alten Mann.