Akte Borussia Dortmund – Zwischen Größenwahn, Bodenständigkeit, Börse und Abgrund

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Akte Borussia Dortmund – Zwischen Größenwahn, Bodenständigkeit, Börse und Abgrund

Akte Borussia Dortmund – das Dossier. Zwischen Größenwahn, Bodenständigkeit, Börse und Abgrund. Was wenige wissen.

Der Ballspielverein Borussia 09 e. V. Dortmund (Borussia Dortmund, BVB) ist einer der erfolgreichsten Fußballvereine Deutschlands. Der Verein gewann bis zum Ende des Jahres 2019 insgesamt 8 deutsche Meisterschaften (zuletzt 2012) und 4-mal den DFB-Pokal. Im nationalen Pokalwettbewerb datiert der letzte Erfolg aus dem Jahr 2017. Der Name „Borussia“ geht rein lexikalisch auf das alt-lateinische Wort für Preußen zurück.

Der BVB ist 1966 der erste deutsche Europapokalsieger überhaupt und belegt in der ewigen Tabelle der Bundesliga den 2. Platz auf Basis von tatsächlich erzielten Punkten. Seit der Spielzeit 1976/77 spielt Borussia Dortmund ununterbrochen in der deutschen Fußball-Eliteliga und steht seit 1993 insgesamt 4-mal in einem europäischen Finale, zuletzt 2013. Der Signal Iduna Park (Westfalenstadion) mit einer Zuschauerkapazität von 81.360 Plätzen das größte Fußballstadion in Deutschland. Die 25.000 Zuschauern Platz bietende Südtribüne ist die größte Stehplatz-Tribüne Europas. In der Champions League dürfen nur 66.000 Zuschauer (reine Sitzplatz-Vorgabe) den Spielen beiwohnen. Mit 155.244 Mitgliedern (Stand: 1. Dezember 2018) ist Borussia Dortmund der drittgrößte deutsche Sportverein und der fünftgrößte Sportverein weltweit. Seit November 1999 sind die Lizenzspielerabteilung, die zweite Profimannschaft und die A-Jugend in die Borussia Dortmund GmbH & Co. Kommanditgesellschaft auf Aktien ausgelagert.

Fan-Freundschaften unterhalten die in mehr als 850 offiziellen Fanclubs (Stand: November 2019) organisierten Anhänger von Borussia Dortmund seit den 1970er-Jahren mit Rot-Weiß Essen, seit dem ersten Aufeinandertreffen im UEFA-Pokal 1987 mit Celtic Glasgow und seit 1976 mit dem Hamburger SV. Weitere, lose Freundschaften bestehen seit den 1990er-Jahren zum SC Freiburg und zum TSV 1860 München. Die größte Fan-Rivalität besteht zu den Anhängern des FC Schalke 04. Diese Animosität gipfelt im sprachlichen Umgang damit, dass man den Namen des jeweiligen Rivalen mit „Lüdenscheid-Nord“ (für Dortmund) und „Herne-West“ (für Schalke) substituiert. Zudem werden der FC Bayern München und der VfL Bochum vom Dortmunder Anhang kalt verachtet.

Das Vereinslied „Wir halten fest und treu zusammen“ wird im Stadion bei den Heimspielen von Borussia Dortmund sehr selten gespielt. Offizielle Stadion-Hymne ist You’ll never walk alone. Dass man diese Hymne, die der FC Liverpool in den Fußball eingeführt hat, vor dem ersten Aufeinandertreffen in der Europa League im April 2016 gemeinsam intoniert, bringt den BVB-Fans den in diesem Jahr erstmals verliehenen FIFA-Fan-Award. Zum 100. Vereinsgeburtstag am 19. Dezember 2009 wird der „Walk of Fame“ präsentiert. Der Gehweg thematisiert die Klub-Historie von Borussia Dortmund mit 100 Sternen. Diese sind über die Stadt verteilt und reichen zeitlich vom ersten offiziellen Spiel (1911) über die erste Westdeutsche Meisterschaft (1948) über die Doppel-Meisterschaft 1956 und 1957 bis zur 100-Jahr-Feier. Der ursprüngliche „Walk of Fame“ ist seit 2012 mehrfach erweitert worden.Über Borussia Dortmund ist vieles bekannt. Das Folgende nur wenigen – zumindest nicht allen:

1. Im Westen was Neues. Der BVB als klare Nummer 2 in der Bundesliga hinter dem FC Bayern München und neben dem Rekordmeister von der Isar der einzige „Global Player“ des deutschen Fußballs? Ein Fan-Magnet, eine Art Ersatzreligion in Schwarz und Gelb mit 80.000 Pilgern im Signal Iduna Park respektive Westfalenstadion an jedem zweiten Wochenende? Das war lange nicht so.

Besser gesagt: Es scheint lange undenkbar und ist erst durch mehrere, teilweise spektakuläre Wendungen in der Klubgeschichte so gekommen. Und nein, Borussia Dortmund ist auch lange kein „Traditionsverein“. Wenn in den ersten 10 Jahren nach Kriegsende Klischees des Ruhrpott-Fußballs gedroschen werden, dann sind der FC Schalke 04 mit seinen unsterblichen Helden Ernst Kuzorra und Fritz Szepan oder Rot-Weiß Essen mit WM-Held Helmut „Erzähl mich dat Tor“ Rahn oder der MSV Duisburg mit „Riegel-Rudi“ Gutendorf Teil der Folklore. Ein fußballkulturelles Phänomen. Die Kult-Sprüche rund um Borussia Dortmund gibt es erst weit nach der Jahrtausendwende, als „a grandios Saison gespielt“ wird…

Eine Entwicklung, die heute nicht mehr jedem bekannt ist. Die Anzeichen, dass sich im Fußball atmenden Ruhrgebiet nach dem verheerenden Krieg etwas ändert, deutet die Rhein-Ruhr-Zeitung in ihrer „Westdeutschen Fußball-Vorschau am 18. Mai 1947 richtig. „Schalke – oder doch Borussia?“, lautet die Schlagzeile, „sollte es stimmen, dass Borussia Dortmund in einem Endkampf eine Chance hat?“ Das ungläubige Staunen der Fachwelt ist nicht unbegründet. Borussia wer? Bis 1930 ist Borussia Dortmund drittklassig und muss sich mit Vereinen wie dem SV Langendreer 04 oder den Sportfreunden Dortmund messen. In den wirtschaftlich bewegten 1920er-Jahren hat der Verein erstmals finanzielle Probleme. Heinz Schwaben, Direktor der Dortmunder Union-Brauerei, bürgt mit seinem Privatvermögen für den BVB. Unter der Führung von August Lenz, Dortmunds erstem deutschen Nationalspieler, gelingt erst 1936 der Sprung in die erstklassige „Gauliga“. Dort haftet dem BVB in der NS-Zeit der Ruf des „ewigen Zweiten“ an, denn am Abonnement-Meister FC Schalke 04 mit seinem formidablen, modernen Kurzpass-Spiel („Schalker Kreisel“) kommt man auf Sicht nicht vorbei. Zwei Vizemeisterschaften (1938 und 1942) stehen zu Buche. Dann die „Wende im Westen“, wie Hans Dieter Baroth 1989 in seinem Buch „Jungens, Euch gehört der Himmel – Die Geschichte der Oberliga West 1947 bis 1963“ schreibt, ,,am Montag gibt es keine Zeitungen mehr. Die Rhein-Ruhr-Zeitung meldet am 20. Mai 1947: Schalke nicht mehr Westfalenmeister (…) Die große Überraschung im westdeutschen Fußballsport bildet das 2:3 (1:0) von Schalke 04 vor 30.000 Zuschauern in Herne gegen Borussia Dortmund im Endspiel um die Westfalen-Fußball-Meisterschaft.“ In der Folgezeit festigt die Borussia diese neu gewonnene Spitzenposition. Zwischen 1947 und 1950 holt sie sich 4-mal in Folge die westdeutsche Meisterschaft. Der Griff nach der Deutschen Meisterschale misslingt 1949 im Endspiel gegen den VfR Mannheim (noch), aber Borussia Dortmund ist auf dem Weg zur deutschen Spitzenmannschaft. Bis zur Einführung der Bundesliga (1963) wird man 3-mal westdeutscher Meister, steht 2 weitere Male (1949 und 1961) im Endspiel. Dazu holen die Schwarz-Gelben 1956 und 1957 mit der gleichen Endspiel-Aufstellung – ein Novum im deutschen Fußball – den Meistertitel. Anfang der 1960er-Jahre hat Borussia mit Spielern wie Hans „Til“ Tilkowski, Helmut „Jockel“ Bracht, Reinhold Wosab, Wolfgang Paul, Alfred „Aki“ Schmidt, Dieter „Hoppy“ Kurrat, „Timo“ Konietzka oder Gerd Cyliax eine erfolgshungrige, eingespielte Truppe, die auch nach BL-Gründung von Sieg zu Sieg eilt. 1965 wird Dortmund DFB-Pokalsieger und holt in Glasgow ein Jahr später gegen den hoch favorisierten FC Liverpool (2:1 n. V.) als erster deutscher Klub einen Europapokal. Die erste Meisterschaft in der Bundesliga wird auf Rang 2 hinter 1860 München auf der Zielgeraden verspielt. Ein Knackpunkt.

2. Nach dem Bundesliga-Start ist der BVB ein „Team der Mittelklasse“: In den folgenden Jahren gelingt es den Dortmundern nur 1967 noch einmal, im Meisterkampf mitzumischen (Platz 3). Die in die Jahre gekommenen Europacup-Helden können nicht mehr zulegen und 1969 wird mit Lothar Emmerich der überragende Torjäger nach einem weiteren Finanzengpass verkauft. 

Schon 1963 scheinen die goldenen Zeiten im „Pott“ dahin zu sein: „Die Final-Saison der Oberliga West hatte symbolischen Charakter“, so Baroth, „das Zechensterben hatte begonnen, Fördertürme sackten unter Sprengladungen zusammen.“ Auch Borussia Dortmund leidet ab 1970 unter diesem „Strukturwandel“, wie die Politiker diese Negativ-Spirale gern euphemistisch bezeichnen. 1972 steigt der BVB erstmals aus der Bundesliga ab – und schlägt sich, da finanziell klamm, in der Regionalliga und in der 2. Bundesliga gerade so durch.

3. Eine Trainerschleuder… ist die westfälische Borussia aber schon lange vor dem Abstieg. Im Prinzip verliert Dortmund nach dem Abschied von Erfolgstrainer Willi „Fischken“ Multhaup 1966 die Kontinuität auf der Trainerposition. Bis zum BL-Abstieg 1972 geben sich 6 Trainer in 6 Jahren im kleinen Stadion an der Roten Erde die Klinke in die Hand. Auf der Suche nach der verlorenen Zeit versuchen sich ab 1972 insgesamt 8 Coaches beim BVB. Erfolg hat nur der Essener Otto Rehhagel, der die Rückkehr in die Bundesliga schafft.

Nach Rehhagels  Entlassung zum 30. April 1978 folgen bis zur Schicksalswende 1986 noch mal 16 (!) Trainer in 8 Jahren. Promis wie Udo Lattek, 2-mal Uli Maslo, Karl-Heinz Feldkamp, Erich Ribbeck, Pal Csernai oder Branko Zebec – In Dortmund darf fast jeder einmal ran! Ein Tiefpunkt ist die Saison 1983/84, als mit Maslo, Helmut Witte, Heinz-Dieter Tippenhauer und Horst Franz 4 Trainer die Journalisten begrüßen. Tippenhauer wird nach nur 2 Spielen gefeuert und die Fans können im Westfalenstadion nur mühsam vom Erklettern des Gitterzauns abgehalten werden. Dem erst 34-jährigen Reinhard Saftig gelingt mit der Rettung über die Relegationsspiele 1986 die Wende. Dass das Borussen-Schiff aber wirklich in ruhige Fahrwasser gelangt, liegt an einem jungen Juristen, der im 1984 eingesetzten „Notvorstand“ um Dr. Reinhard Rauball als „Schattenmann“ fungiert und vor allem die wirtschaftliche Konsolidierung des mit 8,4 Millionen Mark verschuldeten Revierklubs übernimmt. Sein Name: Dr. Gerd Niebaum.

4. Kein anderer Präsident… steht bei Borussia Dortmund so sehr für Aufstieg und Fall wie der am 23. Oktober 1948 in Lünen geborene Dr. Gerd Niebaum. Er wird 1986 als Nachfolger von Dr. Reinhard Rauball zum Präsidenten gewählt und gilt als Hoffnungsträger. Dass er lokale Sponsoren ins Boot holt und den Verein nur ein Jahr nach dem Fast-Abstieg 1986 als Vierter in den Europapokal führt, ist erst der Anfang einer neuen Euphorie um Schwarz-Gelb. Die Philosophie: Mit Spielern aus der Region nach oben! 1986 gelingt Borussia Dortmund etwas überraschend die Verpflichtung von Stürmerstar Frank Mill vom rheinischen Namensvetter Mönchengladbach. Gemeinsam mit dem Siegerländer Norbert „Nobby“ Dickel wird er ein Sturm-Duo bilden, um das Dortmund die halbe Liga beneidet. „Frankie“ und „Nobby“ schießen den BVB 1987 bis ins UEFA-Cup-Achtelfinale und 1989 zum DFB-Pokalsieg, dem ersten Titel nach 23 Jahren. Der Empfang der „Helden von Berlin“ am Dortmunder Friedensplatz ist ein Stück Stadtgeschichte.

Ein weiterer Transfer-Glücksgriff in den ersten Jahren von Niebaums Amtszeit ist die überraschende Verpflichtung des Frankfurter Mittelfeldjuwels Andreas Möller. Niebaums größter Coup ist allerdings das Engagement des bis dahin in Deutschland als Trainer völlig unbekannten Lörrachers Ottmar Hitzfeld im Sommer 1991. Hitzfeld und Niebaum werden das neue „Dynamic Duo“ des deutschen Fußballs. Ihre Strategie: Legionäre aus dem Lira-Paradies Italien zurückholen. Damit sind sie auch dem Branchenführer FC Bayern einen Schritt voraus, der sich zwischen 1991 und 1996 nur ein einziges Mal die Meisterschale grapscht. Bundesliga und Europacup-Nächte in Dortmund werden ab 1992 zum Event. Das 1974 zur WM in der BR Deutschland erbaute Westfalenstadion tauft der Münchner Fußball-Kaiser Franz (Franz) Beckenbauer in die „Mailänder Scala des deutschen Fußballs“. Die noch im zugigen Olympiastadion spielenden Großkopferten aus München schauen fast neidisch nach Dortmund, wo Medien-Rummel und Glamour nach Art des „FC Hollywood“ (noch) keinen Platz haben. Michael Meier, als Manager 1989 von Bayer Leverkusen abgeworben, macht Borussia Dortmund zur Marke und wird 1992 und 1993 vom Kicker-Sportmagazin zum „Manager des Jahres“ gekürt. Ob ihm diese Auszeichnung nach den finanziellen Turbulenzen der 2000er-Jahre wieder aberkannt worden ist, ist nicht bekannt. Egal. Niebaum und Meier machen aus dem Verein Borussia Dortmund die BVB AG, den Konzern Borussia Dortmund, was nicht allen Traditionalisten unter den Fans und im Klub gefällt. Eine echte Opposition formiert sich aber, da geblendet von den riesigen Erfolgen der 1990er- und frühen 2000er-Jahren mit 3 deutschen Meisterschaften und – die Krönung – dem Gewinn der UEFA Champions League – erst, als es fast zu spät ist. Dass Niebaum und Meier nach dem Wegmobben von Erfolgscoach Ottmar Hitzfeld 1997 jegliche Bodenhaftung und Realitätssinn verlieren, bleibt lange unter dem Deckel. In der neuen und mehrstöckigen BVB-Geschäftsstelle können sie nach Belieben schalten und walten. Die BVB-Bosse verrennen sich in dem Bestreben, aus Borussia vollends die Lizenz zum Gelddrucken zu machen. Transfers im 2-stelligen Millionenbereich, ein eigenes Trikot-Label, BVB-Reisebüro, ein „Mega Store“ mit den Maßen einer Shopping Mall, eigene TV-Show im Deutschen Sport-Fernsehen – Sky’s the Limit, lautet Anfang 2000 das Motto beim neureichen Klub! Viele Fans erkennen ihren Verein nicht wieder.

5. Schalke und Dortmund – Das waren sogar mal Freunde! Das Revierderby lebt als hochgejazztes Duell zwischen „Lüdenscheid-Nord“ (Dortmund) und „Herne-West“ (Schalke) vor allem von der Folklore – und unter anderem von dem Irrglauben, dass beide Vereine seit dem fußballerischen Urknall miteinander verfeindet sind. Sind sie aber nicht! Dortmund spielt in seinen Gründerjahren in blau-weiß, bis irgendjemand auf die Idee kommt, die Farben zu ändern. Dem vor und während des 2. Weltkriegs erfolgreichsten deutschen Fußballverein Schalke 04 jubeln auch in Dortmund die Massen zu. Als Schalke nach einem 2:1 gegen den 1. FC Nürnberg 1934 in Berlin Deutscher Meister wird, fahren die „Knappen“ auf ihrem Rückweg nach Gelsenkirchen in offenen Autos durch Dortmund – und tragen sich sogar in das Goldene Buch der Stadt ein. An eine LKW-Fahrt rund um den Borsigplatz mit dem BVB denken da allenfalls Fantasten unter den Fans! Der BVB krebst zu dieser Zeit in der Kreisklasse Dortmund-Herne herum, Schalke ist der dominierende Westverein. „Es herrschte eine tiefe Sympathie zwischen beiden Vereinen“, sagt der ehemalige BVB-Sprecher und Archivar, Gerd Kolbe. Dabei hatten die Klubs in den guten alten Freundschaftszeiten immer fest zusammengehalten. Zum Beispiel zwischen 1934 und 1943, als Schalke einen Austragungsort für seine Vorrundenspiele um die deutsche Meisterschaft sucht und im Dortmunder Stadion Rote Erde fündig wird. „Es war vom Deutschen Fußball-Bund vorgegeben worden, dass bestimmte Spiele in anderen Stadien gespielt werden mussten. Und der BVB hat dann für Schalke diese Spiele organisiert, „erklärt Kolbe.

Oder Anfang der 30er Jahre, als Borussia ohne Erfolg und ohne Trainer dastand. „Da wurde Stürmer August Lenz – der erste BVB- Nationalspieler – vom Verein beauftragt, mit den Schalkern zu reden, mit denen er sich angefreundet hatte. Er sollte sie fragen, wie man endlich wieder erstklassig werden könnte.“ Ergebnis: Erst Schalke-Idol Ernst Kuzorra und dann sein Schwager und Ex-Schalke-Stürmer Fritz Thelen übernehmen die Dortmunder Trainerbank und führten den BVB in die erste Liga, die damals Gauliga Westfalen heißt. „Schalke war also der Steigbügelhalter für den Aufstieg des BVB.“

Im November 1943 gibt es dann nach reihenweise “Packungen“ den ersten Sieg über den bislang dominierenden Rivalen – und Lenz erzielt das 1:0-Siegtor. „Es gab natürlich immer eine Konkurrenzsituation zwischen den beiden Vereinen. Aber erst in den 70er Jahren begann sich die Fanszene zu radikalisieren“, sagt Kolbe. Es folgten Fan- Ausschreitungen und Beschimpfungen von Spielern, die zwischen den Klubs wechseln. Der Begriff des „Judas“, er scheint für das Revier-Derby erfunden zu sein. Allein seit Beginn der Bundesliga-Ära 1963 haben mehr als 20 Spieler diesen riskanten Schritt gewagt, mal mit, mal ohne dazwischen noch für einen anderen Verein gespielt zu haben, u. a. Rüdiger „Abi“ Abramczik, Steffen Freund, Reinhard „Stan“ Libuda, Andreas Möller, Rolf „Rollo“ Rüssmann und Jürgen „Kobra“ Wegmann.

6. „Entscheidend iss auffem Flugplatz“: Hans-Joachim Watzke hat auch 10 Jahre danach noch ein beklemmendes Gefühl, wenn er an den 14. März 2005, den „zweiten Geburtstag von Borussia Dortmund“, denkt. „Das war unfassbar, das war eine Extremsituation. Ich werde es in meinem Leben niemals vergessen“, schildert der BVB-Sanierer die Gefühlslage vor dem entscheidenden Termin auf dem Düsseldorfer Flughafen.  Nach langem Ringen stimmen die Haupteigentümer des Westfalenstadions dem Sanierungskonzept des finanziell schwer angeschlagenen Klubs zu.

Damit kann die drohende Insolvenz des Branchenriesen quasi in letzter Minute abgewendet werden. Schaudernd erinnert sich Watzke an die 6-stündige Sitzung in einer Eventhalle des Düsseldorfer Flughafens, die die Fans mit bangem Blick beim Nachrichtensener n-tv verfolgen. „Die ersten vier Stunden waren sehr negativ. Da hatten einige BVB-Sympathisanten im Saal Tränen in den Augen. Die dachten, das ist das Ende“, sagt er 2015 dem WDR. Knapp einen Monat zuvor ist Schicht im Schacht! Der einzige an der Börse notierte deutsche Fußballverein per Pflichtmitteilung eine „existenzbedrohende Ertrags- und Finanzsituation“ vermeldet. Als der damalige Manager Michael Meier auf einer Pressekonferenz wenige Stunden später gefragt wird, ob der BVB noch liquide sei, erteilte er seinem Nebenmann Jochen Rölfs das Wort. Die Antwort des Wirtschaftsprüfers sorgte für ein Bundesliga-Beben: „Lehnen die Gläubiger den Sanierungsplan ab, war's das. Dann ist Schluss. Der BVB hat nichts mehr in der Hinterhand.“ Die danach präsentierte Horrorbilanz übertrifft selbst die schlimmsten Befürchtungen. Mit einem Mal wird deutlich, in welch prekäre Lage die damaligen Führungskräfte Gerd Niebaum und Michael Meier den Verein mit ihrer Großmannssucht manövriert haben! Demnach sind bereits knapp 80 Prozent des von den Aktionären eingezahlten Kapitals in Höhe von 179,5 Millionen Euro durch Verluste aufgezehrt. Zudem rechnet der BVB für das Geschäftsjahr mit einem Defizit von rund 68 Millionen Euro. Einen Tag später einigen sich die Gläubiger des BVB auf einen ersten Kompromiss zur Sanierung des Vereins. Was jedoch noch fehlt, ist die Zustimmung der 5800 Gesellschafter des Immobilienfonds Molsiris. Der Revierklub hat sein Stadion zwei Jahre zuvor zu 94 Prozent an den Fonds veräußert und dann für 16 Millionen jährlich zurückgeleast. Das Westfalenstadion ist zum Millionengrab geworden. Der Sanierungsplan sieht einen Teilrückkauf des Stadions und die Stundung der Mietzahlungen für die Jahre 2005 und 2006 vor.

Ermöglicht werden sollte das durch einen von den Anlegern freigegebenen Zugriff auf ein Depot in Höhe von knapp 52 Millionen Euro, das ursprünglich für den geplanten Rückerwerbs des Stadions im Jahr 2017 festgelegt ist. Der Plan geht auf. Sportlich gesehen wird in diesen mageren Jahren die Verpflichtung eines Trainers den leck geschlagenen Revierklub neu beseelen: Am 1. Juli 2008 übernimmt Jürgen Norbert Klopp von Thomas Doll, der mit dem Pokalfinale 2008 den einzigen Teilerfolg dieser Phase verbuchen kann, als neuer Coach. Nach Platz 4 im Spieljahr 2009/2010 führt „Kloppo“, den der HSV wegen seiner zerrissenen Jeans im Vorstellungsgespräch nicht will, den BVB zur Deutschen Meisterschaft, 2012 zum ersten „Double“ der Vereinsgeschichte mit Meisterschaft und Pokalsieg und 2013 ins Champions-League-Finale.

7. Dortmunder Löwen – Spätestens mit dem Börsengang 2000 gilt Borussia Dortmund für viele Kritiker und „Traditionalisten“ unter den deutschen Fußballfans als „Vorhölle der Kommerzialisierung“. Doch eigentlich beginnt die totale Vermarktung des BVB schon viel früher.

Als der Verein nach 4 bitteren Jahren in der Regionalliga und in der 2. Bundesliga Nord in die erste Liga zurückkehrt, übernimmt ein Tabakkonzern vollumfänglich das Sponsoring. Der Schriftzug („Samson“) auf den Trikot ist zwar in den 1970er-Jahren nichts Ungewöhnliches mehr, sehr wohl jedoch das neue Vereinslogo. Anstatt „BVB 09“ grüßt ein Löwe auf dem Vereinslogo. Das bleibt bis 1978 so.

8. Ein Heimspiel im Westfalenstadion ohne Borussia Dortmund? Gibt’s nicht! Gibt’s doch – und zwar am 2. April 1976. Es ist kein Aprilscherz, aber auf dem Rasen der WM-Arena von 1974 und 2006 spielen tatsächlich an diesem Tag der VfL Bochum und der FC Schalke 04. Die „liebsten Feinde“ der Borussia also unter sich – die Höchststrafe für jeden Fan!

Und als ob das der schnöden Heimtücke nicht schon genug wäre, gewinnen auch noch die „Knappen“ vom FC Schalke, der in Dortmund mit Sicherheit mehr verachtete unter diesen beiden Kontrahenten, mit 4:1 durch Tore von Erwin Kremers, Herbert Lütkebohmert, Hannes Bongartz und Klaus Fischer. Der Umbau des Bochumer Ruhrstadions macht diese einmalige Konstellation möglich. „Zwar rechtfertigten 45.000 Zuschauer diese Entscheidung aus finanzieller Hinsicht, sportlich ging die Partie mit 1:4 jedoch gründlich daneben“, heißt es dazu auf der offiziellen Homepage des VfL Bochum.Die größte fußballerische Peinlichkeit leistet sich Borussia Dortmund am 29. April 1978. Am letzten Spieltag der Bundesliga-Saison 1977/78 wird die Mannschaft von Trainer Otto Rehhagel im Düsseldorfer Rheinstadion von Borussia Mönchengladbach mit 0:12 abgeschossen. Es ist bis heute das höchste Ergebnis in der Geschichte der Fußball-Bundesliga. Coach Rehhagel (,,Otto Torhagel“) muss seinen Posten räumen. Torhüter Peter Endrulat spielt danach nie wieder für den BVB und wechselt im Sommer 1978 zu Tennis Borussia Berlin.

Eine aberwitzige Pleiten-Saison legt das für 30 Mio. Euro aufgerüstete Star-Ensemble von Borussia Dortmund in der Saison 1999/2000 hin. Unter anderem werden der Nigerianer Victor Ikpeba und die deutschen Nationalspieler Fredi Bobic und Christian Wörns verpflichtet. Als Titel-Favorit und zwischenzeitlicher Tabellenführer entgeht Dortmund nach 2 Trainer-Wechseln nur knapp dem Abstieg! Trainer-Novize Matthias Sammer und Oldie Udo Lattek (damals 65), zuvor 7 Jahre aus dem Geschäft, müssen den taumelnden Revierklub retten. Am Ende springt noch Platz 11 raus. Vom 18. bis zum 32. Spieltag der Pleiten-Saison 1999/2000 bleibt Dortmund ohne Sieg und stellt mit 6 Niederlagen in Serie den Pleiten-Rekord aus seiner Abstiegs-Saison 1971/72 ein.

In der Champions-League-Saison 2017/2018 sorgt eine desolat auftretende Borussia aus Dortmund für einen neuen deutschen Negativ-Rekord in der „Königsklasse“. Mit nur 2 Punkten aus 6 Gruppenspielen gegen Real Madrid, Tottenham Hotspur und APOEL Nikosia kommt die Mannschaft von Trainer Peter Bosz noch in die Europa League. Im europäischen ,,Fußball-Unterhaus“ geht  die Blamage weiter. Das nun von Peter Stöger trainierte Team kommt in 4 weiteren Partien nur zu einem Sieg – 3:2 gegen Atalanta Bergamo.

Die Abstiegs-Saison 1971/72 sieht neben vielen vereinsinternen Negativmarken, die bis heute Bestand haben (u. a. mit Rang 17 schlechteste Platzierung in der Abschluss-Tabelle, wenigste erzielte Tore, wenigste Punkte, wenigste Siege), auch eine 2-stellige Niederlage von Borussia Dortmund. Am 27. November 1971 kassiert der BVB im Stadion an der Grünwalder Straße beim FC Bayern München ein 1:11 „Bomber“ Gerd Müller trifft 4-mal. Der Ex-Pirmasenser Dieter Weinkauff verkürzt für den BVB auf 1:6.

Die schwache, letzte Saison unter Jürgen Klopp 2014/2015 – ein Fest für Hater! Mit Platz 17 und 15 Punkten legt Dortmund die schlechteste Hinrunde aller Zeiten hin. Unter Jürgen Klopp gibt es 2008/2009 auch die Rekord-Zahl an Unentschieden: 14 Remis verhindern beim BVB eine bessere Platzierung als Rang 6.

Ein 0:3 gegen den SC Paderborn bedeutet am 22. November 2019 den höchsten Pausen-Rückstand in der BVB-Historie vor heimischer Kulisse. Zuvor kassiert Dortmund am 21. November 1987 gegen den Hamburger SV in einer Halbzeit 3 Gegentore zu Hause. Zur Pause steht es aber 2:3, was auch der Endstand. Ein 0:3 zur Halbzeit hat es für den BVB in einem Bundesliga-Heimspiel zuvor zuletzt am 15. April 1983 gegen Bayer Leverkusen gegeben. Wie 2019 gegen den SC Paderborn gibt es am Ende auch gegen die Bayer-Elf ein 3:3.

Schlechteste Saison seit der Einführung der 3-Punkte-Regelung im Jahr 1995 ist die Spielzeit 2007/2008. Unter Trainer Thomas Doll erreicht Dortmund zwar das DFB-Pokalfinale, doch Platz 13 in der Bundesliga führt zur Ablösung von ,,Dolly“ zum Saisonende. 28 Zähler bedeuten 1985/86 nur Platz 16 und damit den Gang in die Relegationsspiele gegen Fortuna Köln (0:2, 3:1 und 8:0 in Düsseldorf).

„Roooobbbeeeen“ – so entfährt es Sky-Reporter Marcel Reif in der 89. Minute des „deutschen“ Champions-League-Finales zwischen dem FC Bayern München und Borussia Dortmund am 25. Mai 2013 im Londoner Wembley-Stadion. Der Holländer Arjen Robben stürzt den BVB mit seinem späten Treffer ins Tal der Tränen. Denn: Dortmund ist nach dem 1:1-Ausgleich von Ilkay Gündogan per Foulelfmeter am Drücker, kann aber in der kurzen Nachspielzeit nicht mehr zurückschlagen. „Nach dem 1:1 ging mir der Arsch auf Grundeis“, sagt Bayern-Keeper Manuel Neuer nach dem Spiel. Ein Jahr später schießt Arjen Robben in der Verlängerung des Pokalfinales in Berlin dem BVB die nächste Trophäe vor der Nase weg.Der größte Erfolg gelingt dem Verein unter Trainer Ottmar Hitzfeld im Jahr 1997. Am 28. Mai 1997 wird Borussia Dortmund durch ein 3:1 (2:0) im Finale gegen Juventus Turin im Olympiastadion München erster deutscher Sieger in der Champions League. 2-mal Karl-Heinz ,,Air“ Riedle und Klub-Eigengewächs Lars Ricken treffen gegen die favorisierten ,,Bianconeri“.

In der Bundesliga stellt die Saison 2011/2012 mit dem ersten ,,Double“ der Vereinsgeschichte den größten Erfolg für den BVB dar. Unter der Regie von Trainer Jürgen Klopp verteidigte Borussia Dortmund im Fernduell gegen den FC Bayern München den deutschen Meistertitel und stellte mit 81 Punkten einen neuen Bundesliga-Rekord auf. Mit 44 Punkten ist der alte und neue Deutsche Meister bestes Heimteam und mit37 Zählern auch beste Auswärtsmannschaft der Liga.

Sein riesiges Potenzial deutet in der Saison 2011/2012 ein BVB-Stürmer an, der in seinem ersten Jahr meist als „Backup“ für den gesetzten gebürtigen Argentinier Lucas Barrios bereit steht: Robert Lewandowski. Der Pole erzielt in 34 Liga-Spielen satte 22 Tore. Im Pokalfinale am 12. Mai 2012 demütigt der BVB die Bayern mit 5:2 (3:1). Robert Lewandowski trifft dabei 3-mal für die Borussia, ebenso Mats Hummels und Shinji Kagawa. Der Japaner wird beim Finale in Berlin von Tribünengast Sir Alex Ferguson beobachtet und wechselt im Sommer 2012 zu Manchester United.

Die größte Aufholjagd in der Meisterschaft legen die Borussen 2001/2002 unter Trainer Matthias Sammer hin. In den letzten 3 Spielen gegen Köln (2:1), in Hamburg (4:3) und gegen Werder Bremen (2:1) machen sie 5 Zähler auf Tabellenführer Bayer Leverkusen gut. Sie holen sich am 34. Spieltag doch noch die Meisterschale. Die Tabellenführung wechselt in einer unvergesslichen Saison zwischen Lautern, dem FC Bayern München, dem BVB und Bayer Leverkusen munter hin und her und am 20. Spieltag ist Dortmund mal wieder vorn. Leverkusen schießt sich mit dem 4:0 gegen den BVB am 24. Spieltag zwar wieder an die Spitze, vergibt dann aber 2 Spieltage vor dem Ende den „Matchball“. Ein von Werder-Keeper Frank Rost (40.) parierter Foul-Elfmeter von Bayer-Torhüter und Elfer-Schütze Hans-Jörg Butt verhindert gegen Bremen (1:2) die vorzeitige Meisterfeier in Leverkusen. Eine Woche später erlebt Bayer in Nürnberg (0:1) die nächste Niederlage und der BVB übernimmt mit dem Sieg beim HSV die Spitze – und gibt diese nicht mehr ab. „Am Ende gewinnt immer der Jäger und nicht das Wild“, gibt sich BVB-Manager Michael Meier bildhaft, „deswegen sind wir jetzt in der idealen Situation, um den Blattschuss zu setzen.“

Glamoroso Amoroso: Umgerechnet 25,5 Millionen Euro hat sich Borussia Dortmund 2001 die Dienste des brasilianischen Stürmers Marcio Amoroso vom AC Parma kosten lassen. Viel Geld für einen, der nur in einer Saison liefert. Amoroso wird Bundesliga-Torschützenkönig und zeigt seine ganze Klasse am 4. April 2002 beim UEFA-Cup-Halbfinale gegen den AC Mailand. Beim 4:0 (3:0)-Erfolg trifft der Brasilianer 3-mal – und bringt die italienischen Medien zur Verzweiflung. „Das war kein Fußballspiel, sondern ein Massaker“, ist Italiens Fußball-Bibel Gazzetta dello Sport sicher. Der Corriere de la Sera sieht „die dunkelste europäische Nacht seit Beginn der Ära Berlusconi“.

Der BVB als Königsmacher: Schalke Meister in Dortmund? „Dat darf nich sein!“ – Das denken nicht nur die Fans, sondern auch die Mannschaft von Borussia Dortmund, die ihren Anhang in der Saison 2006/2007 wahrlich nicht verwöhnt hat und den Abstieg rechnerisch erst am 32. Spieltag beim 2:0 in Wolfsburg abgewendet hat. Als „Zugabe“ gibt es den aus Dortmunder Sicht größten aller Derby-Siege. Am 12. Mai 2007 reißen die Dortmunder durch Tore von Alexander Frei und Ebi Smolarek den Revier-Rivalen FC Schalke 04 mit 2:0 (1:0) aus allen Meisterträumen. Da im benachbarten Bochum der Verfolger VfB Stuttgart mit 3:2 beim VfL gewinnt, katapultieren sich die Schwaben an die Spitze – und holen den Titel.

Der „Kindergarten“ überrumpelt den FC Bayern: „Meisterliches Wetter-Leuchten in München“, so sieht der Verlag DIE WERKSTATT im großen Bildband Nur der BVB diesen aus Dortmunder Sicht unvergessenen Fußballabend vom 26. Februar 2011. Erstmals nach fast 20 Jahren gewinnt die Borussia mal wieder beim FC Bayern München – und macht einen Riesenschritt in Richtung Deutsche Meisterschaft. Lucas Barrios, Nuri Sahin und Mats Hummels machen den ersten Dortmunder Erfolg in München seit dem 12. Oktober 1991 perfekt. Sie bringen Coach Jürgen Klopp ins Schwärmen: „Das ist ein großer Tag für uns. Als Dortmund das letzte Mal hier gewonnen hat, wurden die meisten unserer Spieler noch gestillt.“

In der Saison 1982/83 gelingen Borussia Dortmund beim 11:1-Rekordsieg gegen Arminia Bielefeld 10 Tore in einer Halbzeit. Es ist Samstag, der 6. November 1982. Zur Pause steht es „nur“ 1:1, nachdem Frank Pagelsdorf für die Ostwestfalen und Manfred Burgsmüller für den BVB getroffen haben. Nach dem Wechsel geht das Tor-Festival in der 46. Minute los. „Manni“ Burgsmüller und Rüdiger „Abi“ Abramczik (47.) überrumpeln Bielefeld mit einem Doppelschlag. 3 weitere Tore von Burgsmüller, 3 Treffer von Bernd Klotz, eine Bude von Marcel Raducanu, dem „Maradona vom Kamener Kreuz“, und ein Elfmetertor von Lothar Huber machen den bis heute höchsten Sieg für die Borussia in der Bundesliga perfekt.Matthias Sammer – Der Titelsammler. Der gebürtige Dresdener kommt 1993 als Mittelfeldspieler nach Dortmund. Vorangegangen ist ein völlig missglücktes Gastspiel bei Inter Mailand. Sammer, immer schon eine Art spielender Trainer, hat sich mit Inter-Coach Osvaldo Bagnoli überworfen – und will nur noch zurück in Die Bundesliga. Dortmund stemmt den Mega-Transfer in der Winterpause 1992/93 und Trainer Ottmar Hitzfeld erkennt seine Zweikampfstärke. Er macht aus Sammer einen Libero, dessen Erfolgsquote bis heute Ihresgleichen sucht. Zwei Deutsche Meistertitel 1995 und 1997, ein UEFA-Champions-League-Sieg 1997 sowie der Weltpokal, lassen Sammer außerdem zweifachen Fußballer des Jahres und zum absoluten Meinungsführer in Deutschland werden. Als Trainer kehrt der „Feuerkopf“ 2000 nach seinem frühen Karriere-Ende (1997) zurück zu seinem Erfolgsverein, führt die Mannschaft, wie schon als Spieler, zum Deutschen Meistertitel und geht als bis heute als jüngster Meistertrainer in die Bundesligageschichte ein. Seit 2018 ist „der Löwe aus Sachsen“ als externer Berater zurück bei den Schwarz-Gelben.

Jürgen Klopp – Der Meistermacher. „In Dortmund ist Fußball nicht die schönste Nebensache der Welt. Es ist die Hauptsache!“, sagte der Erfolgstrainer einst. Bekannt für seine emotionalen Auftritte, weiß „Kloppo“ stets zu polarisieren. Laut, engagiert und mit jeder Menge Herzblut führt er den BVB 2011 und 2012 zum Deutschen Meistertitel und holt auch den DFB-Pokal 2012 und somit das Double. Sein unnachahmliches Gespür, Spieler zu fördern, hat Klopp aus Mainz, wo er spätere Trainer und Nationalspieler wie Manuel Friedrich, Andrij Woronin oder Marco Rose formt, mit nach Dortmund gebracht. Man kann sogar sagen: Kein deutscher WM-Titel 2014 ohne Klopp! Den DFB-Abwehrchef Mats Hummels wird unter Klopp im BVB-Team der 2010er-Jahre erst zum Nationalspieler und auch der feine Techniker Mario Götze – zur WM 2014 zwar schon in Diensten von Bayern München – gilt als Entdeckung von Klopp. Der Schwabe belebt den BVB aber nicht nur auf dem Platz. Seine Auftritte in der Pressekonferenz („Alle, die nicht wissen, wer Walter Frosch war: Bitte den Saal verlassen“) und die ironisch-intelligente Brechung des mitunter knallharten Fußballgeschäfts („Wenn meine Jungs ein Tor erzielen, fände ich es ganz schick, wenn es dann auch zählt“ / Klopp zur Torlinientechnik) machen ihn zu einer Ausnahmeerscheinung in der mitunter etwas biederen Trainergilde der Bundesliga. „Kloppo“ ist ein Menschenfänger und seine offene, kommunikative Art, aber auch sein komisches Talent lassen ihn Dortmund und später auch Liverpool im Sturm erobern. Und sportlich? Klopp führt Dortmund zurück an die Spitze der Bundesliga, macht den BVB wieder zur klaren Nummer 2 hinter dem FC Bayern, ohne dabei den Boden unter den Füßen zu verlieren. „Alles, was ich bin, bin ich durch Euch“, hat er schon bei seinem Abschied aus Mainz unter Tränen den Fans zugerufen. Für seine authentische Art und seine gelebte Begeisterung – Klopp bleibt immer auch ein Fan – danken ihm die Dortmunder Anhänger nach 7 Jahren mit einer beeindruckenden Choreographie in der Südkurve danken. Der Abschied ist tränenreich und viele hoffen, dass er nicht für immer war…

Lars Ricken – Der Mann für die „Big Points“ Kein anderer Spieler steht so für die erfolgreiche Nachwuchsarbeit des BVB wie der am 10. Juli 1976 in Dortmund geborene Lars Ricken. Seinen Durchbruch schafft der deutsche A-Jugendmeister von 1994 im gleichen Jahr im Star-Ensemble von Trainer Ottmar Hitzfeld in der denkwürdigen UEFA-Cup-Partie gegen Deportivo La Coruna. Ricken schießt Borussia mit dem 3:1 gegen die Spanier Sekunden vor dem Ende der Verlängerung ins Viertelfinale. Ricken gehört nicht nur zu den größten „One Club Players“ der Bundesliga-Geschichte – zwischen 1993 und 2007 spielt er ausschließlich für die Schwarzgelben – sondern er erzielt die 2 wichtigsten Tore der BVB-Vereinsgeschichte. „Er kann der Mannschaft helfen, wenn nichts mehr geht“, sagt sein Entdecker Ottmar Hitzfeld über ihn. Der Coach behält Recht. Ricken köpft Borussia Dortmund 1995 mit dem 2:0 gegen Hamburg zur Deutschen Meisterschaft und lupft sich mit dem 3:1 gegen Juventus Turin im CL-Finale von 1997 (Marcel Reif: „Ricken… Lupfen jetzt!“) in sämtliche Fußball-Geschichtsbücher. In diesem Spiel ist Ricken gerade mal 20 Sekunden auf dem Platz, ehe ihm der entscheidende Treffer gelingt. Nach 70 Minuten hat ihn Hitzfeld für den Schweizer Stephane Chapuisat in die Partie gebracht. Ricken hat beobachtet, dass „Juve“-Keeper Angelo Peruzzi oft weit vor dem Tor steht und so überlistet er ihn nach einem Traumpass von Andreas Möller. Aus 30 Metern geht der Ball über den überraschten Keeper hinweg ins Netz, Dortmund ist Champions-League-Sieger! Wie sehr sich der Dortmunder Junge mit dem Verein identifiziert, zeigt er nach der Titelverteidigung 1996. Ricken lässt sich vor dem letzten Spiel gegen den SC Freiburg (3:2) eine Glatze scheren. Eine schwere Bänderverletzung, verursacht durch den ungestümen Einsatz des Bielefelders Uwe Fuchs, bremst 1997 die Karriere des Jungprofis aus, der im gleichen Jahr in einem viel beachteten Werbespot die Kommerzialisierung des Fußballs („Ich sehe VIP-Logen, wo früher Stehplätze waren, ich sehe Spieler, die öfter mit der Presse reden, als mit ihrem Coach… ich sehe Typen in Nadelstreifen und Geschäftemacherei ohne Ende – und dann sehe ich, was mir wirklich wichtig ist“). Im deutschen WM-Aufgebot 1998 fehlt der Name Lars Ricken und auch sonst ist die Nationalmannschaftskarriere des Dortmunder Shootingstars, der später als Jugend-Koordinator für Borussia Dortmund arbeitet, überschaubar. Ricken macht nur 4 Länderspiele. Bei der Vize-Weltmeisterschaft 2002 in Asien wird er als einziger deutscher Feldspieler nicht eingesetzt. Dabei hätte er der Mannschaft, wie Hitzfeld einst glaubte, vielleicht im Finale gegen Brasilien (0:2) „dann helfen können, wenn nichts mehr geht“…

Lothar Emmerich – „Gib mich die Kirsche!“ Der 2003 verstorbene Stürmer kommt in 215 Bundesliga-Spielen auf 126 Treffer und wird im Europapokal-Sieger-Jahr 1965/66 mit 14 Buden Torschützenkönig in diesem Wettbewerb. Allein 4 davon gelingen Emmerich in den beiden Halbfinal-Spielen gegen West Ham United. Im 1999 abgeschafften Pokalsieger-Cup erzielt kein Spieler in einer Saison mehr Tore als „Emma“, der seinen Mitspielern im Dortmunder Slang oft und gern mit „Gib mich die Kirsche“ empfiehlt, ihn anzuspielen. Dieses Zitat, aber auch Emmerichs Loyalität und seine unnachahmliche Stärke vor dem Tor machen ihn zu einem unsterblichen Publikumsliebling beim BVB. 1966 wird er als erster BVB-Spieler Torschützenkönig in der Bundesliga – mit 31 Treffern. 1967 teilt er sich den Torjäger-Titel mit dem einzigen Stürmer, der in seiner Ära noch besser ist als er selbst: Gerd Müller vom FC Bayern München. Sein wohl berühmtestes Tor erzielt der Mann mit der „linken Klebe“, mit dem unglaublich harten Linksschuss, allerdings nicht im Trikot des BVB, sondern im Nationaldress. Bei der Weltmeisterschaft 1966 jagt Emmerich im Gruppenspiel gegen Spanien (1:1) den Ball aus unmöglich spitzem Winkel ins Netz. Ein Jahrhundert-Tor. Lothar Emmerich kehrt 1999 als Fan-Beauftragter zu Borussia Dortmund zurück – und wenn er gemeinsam mit einem ehemaligen Mannschaftskollegen Alfred „Aki“ Schmidt die Geschichten vom „Jahrhunderttor“ bei der WM in England oder aus den goldenen Sechzigerjahren mit dem BVB erzählt, kann man eine Stecknadel fallen hören. Die Dortmunder Südtribüne ehrt „Emma“, einen der größten Torjäger der BVB-Geschichte, nach seinem Tod mit einer Kurven-Choreographie. Und: Das BVB-Maskottchen, eine schwarz-gelbe Biene, trägt bis heute den Namen „Emma“.

Michael Zorc – Der Treue. Mittelfeldspieler, Kapitän, das Herz des BVB. Seine 463 Bundesligaspiele absolviert „Susi“ allesamt für den BVB und ist bis heute Bundesliga-Rekordspieler des Vereins. Von 1981 bis 1998 lief der Spieler mit der „ewigen“ Nummer acht regelmäßig auf, bis er ins Vereinsmanagement wechselt. Der gebürtige Dortmunder wird als Spieler mit seinem Heimatverein zweifacher Deutscher Meister 1995 und 1996, Champions League- und Weltpokal-Sieger 1997 und gewinnt den UEFA-(1993) und DFB-Pokal (1989). Seit 2005 laufen bei ihm als Sportdirektor die schwarz-gelben Fäden zusammen. Vom Scheitel bis zum Zeh – niemand ist mehr BVB!

Dieter „Hoppy“ Kurrat (1942 – 2017): Der „Terrier“ des BVB: Kann sein, dass seine nur 162 Körperlänge Dieter Kurrat die Nationalmannschaftskarriere gekostet haben. Über die DFB-U23 kommt der in Holzwickede geborene Mittelfeld-Allrounder nicht hinaus. Das ist vielleicht auch gar nicht so wichtig. Denn beim BVB ist „Hoppy“ Kurrat eine Legende. Der kleinste Bundesligaspieler aller Zeiten ist ein unglaublicher Kämpfer, vor dem auch Stars wie Uwe Seeler, der Spanier Luis Suarez von Inter Mailand, Günter Netzer oder Wolfang Overath kapitulieren müssen. Im Finale um die Deutsche Meisterschaft von 1963, soll Kölns Superstar Hans „De Knoll“ Schäfer nach geschlagenen 30 Minuten den ersten Ballkontakt gehabt haben, weil „Hoppy“ Kurrat stets einen Schritt schneller ist. Gigantische 612 Pflichtspiele macht „Hoppy“ Kurrat, der seinen Spitznamen vom Westernhelden „Hopalong Cassidy“ hat, für den BVB, mit dem er 1963 Deutscher Meister und 1966 Europapokalsieger wird. Doch der Ausverkauf der „Helden von Glasgow“ macht Kurrat bald zum Einzelkämpfer. „Als ich merkte, dass ich auf einmal fast alleine dastand, war es bereits zu spät“, sagt „Hoppy“ Kurrat zum Bundesliga-Abstieg 1972, „der Abstieg kam als Folge einer verfehlten Personalpolitik.“ Er bleibt trotz des Sturzes in die Zweitklassigkeit in Dortmund, lehnt besser dotierte Angebote von Hertha BSC oder Atalanta Bergamo ab. Sein Abschied vom BVB mit einem Spiel im neuen Westfalenstadion ist unschön. Kurrat erhält nur 40.000 Mark, der Verein rechnet nur 12.000 zahlende Zuschauer statt der tatsächlich anwesenden 20.000 ab. Ein Ärgernis für Kurrat, der dem finanziell schwächelnden Klub zuvor schon die 25.000 Mark Treueprämie geschenkt hatte. Seit 1976 und bis 2012 betreibt Kurrat in Holzwickede die Kult-Kneipe „Hoppys Treff“.

Alfred „Adi“ Preißler (1921 – 2003): „Entscheidend iss auffem Platz“ – „Grau ist alle Theorie, aber entscheidend iss auffem Platz“, dieses Zitat von Alfred „Adi“ Preißler, dem Grandseigneur de BVB, haben ganze Generationen von Fußballtrainern aufgegriffen. Der Kapitän der Meistermannschaft von 1956 und 1957 prägt die erste Erfolgs-Ära beim BVB. Gemeinsam mit Alfred Niepieklo und Alfred Kelbassa, dem legendären BVB-Innensturm jener Jahre, bildet er das Trio „Die 3 Alfredos“. Preißler gewinnt mit dem BVB 2-mal die Meisterschale und 6-mal die Westdeutsche Meisterschaft in der bis 1963 höchsten deutschen Spielklasse, der Oberliga. In 294 Spielen in der Oberliga West für Borussia Dortmund und Preußen Münster erzielt Preißler 175 Tore. Dazu kommen 8 Buden in 10 Europacup-Spielen. Der gute „Adi“ wird 1999 zum „Torjäger des Jahrhunderts“ beim BVB gekürt. Preißler und die Borussia, das ist schon lange, bevor es Marketingexperten auffällt, „echte Liebe“ – ,,Ab 1946 spielte ich für null Mark für den BVB, der bis heute meine große Liebe geblieben ist“, sagt Preißler später einmal über seine einmalige Beziehung zum Revierklub. Preißler und Max „Die Spinne“ Michallek landen als erste Borussen-Spieler im neu geschaffenen BVB-Wachsfigurenkabinett. Die Fans vergessen ihren „Adi“ nie: Zum 100-jährigen Vereinsbestehen 2009 zeigt die große Kurven-Choreographie auf der Südtribüne Preißler mit der mit einer Hand gestemmten Meisterschale im Mittelpunkt einer Reihe von Personen, die den BVB prägten. Eines aber lässt Preißler bis zu seinem Tod nicht los: Nur 2-mal, 1951 gegen Österreich und Irland, ist er für Deutschland aufgelaufen. Der Lauterer Spielmacher Fritz Walter steht beim „Chef“ Sepp Herberger höher im Kurs als der gebürtige Duisburger. Und auch der Krieg raubt Preißler wichtige Fußballerjahre. „Die Nazis“, sagt er 1999, „haben mir ganz bestimmt 50 Länderspiele geklaut.“

Dedê – Der Beliebte. Leonardo de Deus Santos kommt als 20-Jähriger 1998 nach Dortmund. Als Außenverteidiger wird er 2002 und 2011 Deutscher Meister und erreichte das Finale des UEFA-Cups 2001/02. Aufgrund seiner Fannähe ist Dedê trotz seines verletzungsbedingten Ausfalls 2008/09 nach wie vor einer der beliebtesten Spieler. Sein Abschiedsspiel veranstaltet der Brasilianer 2015 im Westfalenstadion vor einer Rekord-Kulisse von 81.359 Zuschauern. Es ist das europaweit bestbesuchte Abschiedsspiel eines ehemaligen Profifußballers, mit zahlreichen Weggefährten und ehemaligen Gegner, die als „Dedê Weltauswahl“ auf dem Platz gegeneinander antreten.Pierre-Emerick Aubameyang – Der Proll. Der BVB beschert Pierre-Emerick Aubameyang die erfolgreichsten Jahre seines Lebens. 98 Tore erzielt er zwischen 2013 und 2018 für die Schwarz-Gelben und schafft den Durchbruch zum Weltstar. Aubameyangs Wechsel zum FC Arsenal wird jedoch begleitet von Streikdrohungen und offensiv kommunizierten Transferforderungen. Im goldenen Geländewagen chauffiert „Auba“ sich anschließend selbst zum Flughafen und düst im Privatjet in Richtung England ab. Understatement und Dankbarkeit sehen anders aus. Der extrovertierte Bundesliga-Torschützenkönig entschuldigt sich im Nachhinein via Instagram bei seinen Fans und für seinen Abgang, doch die nahmen ihm die Show nicht ab. Nachdem der Paradiesvogel in Richtung Premiere League davon flattert, kehrt endlich etwas Ruhe im Lager der Dortmunder ein. Ersetzen können die Borussen den Top-Torjäger nicht. Das Arbeitspapier von Leih-Stürmer Michy Batshuayi vom FC Chelsea, ist nicht mit einer Kaufoption versehen…

Gerd Niebaum – Der Größenwahnsinnige. Er führt Borussia Dortmund in den Triumph und an den Rand des Bankrotts. Unter Niebaums Präsidentschaft gewinnt der BVB den DFB-Pokal 1989, 3 deutsche Meisterschaften (1995, 1996 und 2002), die Champions League 1997 und den Weltpokal 1997. Niebaum will den FC Bayern München in den Schatten stellen. Er erreicht viel und verliert dabei jegliches Maß. Zum Champions-League-Bankett lässt er seine persönliche Lieblingskapelle nach München einfliegen. Er investiert in ein Gigantenstadion, zahlt Unsummen an Gehältern, bringt Dortmund an die Börse und verdient sich eine goldene Nase. „Doktor Gott“ wird Niebaum bald spöttisch von den Mitarbeitern auf der Geschäftsstelle genannt, weil er aus dem Verein Borussia Dortmund den Konzern BVB KGaA gemacht hat, sich in alles einmischt, beratungsresistent geworden ist, in seiner eigenen Welt zu leben scheint. Als die Blase platzt und Niebaums Misswirtschaft auffliegt, weist Dortmund ein 3-stelliges Millionenminus auf. „Sie haben den Verein zerstört!“, lautet der schwere Vorwurf an Niebaum auf einer der turbulentesten BVB-Jahreshauptversammlungen im November 2004. Die Insolvenz kann erst die neue Führungs-Crew um den nach Niebaums eiligem Rücktritt am 14. November 2004 noch einmal amtierenden Dr. Reinhard Rauball und Hans-Joachim („Aki“) Watzke verhindern. Aber erst, nachdem der gefallene „Gott“ im Februar 2005 auch sein letztes Amt als Geschäftsführer – der Mann kontrolliert sich praktisch selbst – aufgibt. Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall und Gerd Niebaums Fall ist tief. Er verliert vor Gericht gegen den Vermieter seiner gewaltigen Kanzlei-Immobilie (monatlich 40 000 Euro) an der Dortmunder B1, muss Miete plus Nebenkosten in Höhe von 750.000 Euro bis zum vertraglichen Ende der offiziellen Mietzeit weiter zahlen. Auch die Sparkasse Werl fordert die Zahlung der Schulden des Kanzlei-Kontos in Höhe von 650 000 Euro – und gewinnt den Prozess. 2012 verliert er wegen „Vermögensverfall“ endgültig seine Anwaltszulassung. Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn sich ein Rechtsanwalt in einer prekären finanziellen Lage befindet, diese sich auf absehbare Zeit nicht beheben lässt. Die Vorwürfe, die ihm 2015 in einem Prozess gemacht werden, sind schwerwiegend. Rund 1,7 Mio. Euro soll Niebaum seit 2005 veruntreut haben, als er laut Anklage 16 Mio. Schulden bei Banken und 1,3 Mio Euro Schulden bei privaten Gläubigern hat. Als Testamentsvollstrecker soll er sich zudem 2005 aus einem Nachlass ein Darlehen in Höhe von 459.000 Euro selbst gewährt und ausgezahlt haben. Zwischen 2006 und 2008 soll er beim Beantragen von Krediten bzw. Aufstockungen von Kreditlinien in Höhe von insgesamt 650.000 Euro unvollständige Angaben zu seinen privaten Verbindlichkeiten gemacht haben. Um 2 Darlehen seines mittlerweile verstorbenen Schwagers über 200.000 bzw. 400.000 Euro zu verlängern, soll er dessen Unterschrift gefälscht haben. Im Signal Iduna Park ist Niebaum seitdem kaum noch gesichtet worden. Einen großen Abschied für den Präsidenten, der Dortmund erst in den Himmel und dann in die Hölle geführt hat, gibt es nicht. Sein Adlatus Michael Meier („Heute gieße ich mir einen hinter die Lampe“), der in guten wie in schlechten Zeiten in alle Entscheidungsprozesse eingebunden ist und der nicht unbedingt für Fan-Nähe („Die Mannschaft kommt um 9 Uhr in die Lobby – da will ich aber von Euch keinen mehr hier sehen!“) steht, darf bis zum Saisonende 2004/2005, als Niebaum schon lange zurückgetreten ist, im Amt bleiben. Er verlässt das Westfalenstadion unter Tränen und arbeitet danach noch einmal für den 1. FC Köln. Ein Happy End gibt es für Meier aber auch beim FC nicht. Im November 2010 wird er nach anhaltender sportlicher Talfahrt entlassen.

Sergej W. – Der Attentäter. Um 19:15 Uhr, im Dortmunder Stadtteil Höchsten, explodieren am 11. April 2017, 3 mit Metallstiften bestückte Sprengsätze. Sie sind in einer Hecke deponiert worden, um den vorbeifahrenden Dortmunder Mannschaftsbus zu treffen. Die Spieler befinden sich auf dem Weg zum Westfalenstadion, wo das Champions League Viertelfinale gegen AS Monaco stattfinden soll. Abwehrspieler Marc Bartra erleidet einen Speichenbruch sowie mehrere Fremdkörper-Einsprengungen im Arm. Ein begleitender Motorradpolizist kommt mit Knalltrauma ins Krankenhaus. Die Fußballwelt steht unter Schock. Bis heute sind die Motive des Täters unklar. Offiziell wird er am 27. November 2018 wegen 28-fachen Mordversuchs aus „Habgier“ zu 14 Jahren Haft verurteilt.

Florian Homm – Der Spekulant. Auf dem Höhepunkt der Dortmunder Finanzkrise taucht im Sommer 2004 unvermutet ein schillernder Helfer auf. Es ist der Finanzmanager Florian Homm. Der Hesse, Havard-Absolvent als Master of Business Administration, wird in Zeiten des „Neuen Marktes“ an der Frankfurter Börse Ende der 1990er- und Anfang der 2000er-Jahre vor allem dadurch bekannt, dass er sich als „Sterbehelfer“ bei bankrotten Unternehmen hervortut – und offenbar mächtig abkassiert. 2004 steigt Homm beim BVB ein und rettet den Verein mit einer Kapitalerhöhung von 20 Mio. Euro vor der sicheren Pleite. Doch Homm weiß: Wer das Geld hat, der hat auch die Macht und der neue Großaktionär will in Dortmund. „Ich will einen wie Rapolder“, untergräbt er in einem Interview mal eben die Autorität von BVB-Trainer Bert van Marwijk. Homm gelingt es, seinen Einfluss auszuweiten und die BVB-Führung um den schwer in der Kritik stehenden Dr. Gerd Niebaum zu entmachten. Ein Wirtschaftskrimi! In seiner Biographie Kopf. Geld. Jagd berichtet Homm später, er habe „eigentlich mit dem BVB Geld machen und ihn an 2 russische Oligarchen verkaufen wollen“. Als er, entgegen seiner Gewohnheit, „erst nach seinem Einstieg eine Überprüfung des Unternehmens vornahm“, bemerkte er angeblich, „ wie schlecht es dem Klub ging“ und „beschloss, ihn zu retten, da man sich die Verluste nicht erlauben konnte.“ Das gelingt: Homm rettet Dortmund mit einem (ersten) Sanierungspaket 2005 die Lizenz. In der Folgezeit verkauft er alle Aktien. BVB-Präsident Dr. Reinhard Rauball: „Er kam mit hehren Absichten, verwechselte dann leider einen Fußballverein mit einer normalen AG. Das ist ein Grund, weshalb wir mit der 50 plus 1-Regelung verhindern wollen, dass fußballfremde Investoren einen Klub übernehmen.“ Die Fans haben Anfang 2005 genug vom Geschacher um ihren Klub und starten vor dem Heimspiel gegen den VfL Bochum (1:0) den legendären „Not for Sale“-Marsch zum Westfalenstadion. 2007 ist Homm im Zuge der Finanzkrise von der Bildfläche verschwunden. Dr. Reinhard Rauball zu BILD: „Wir haben keinen Kontakt mehr. Mich würde auch interessieren, was aus ihm geworden ist.“ Das klärt sich bald. Homm ist mit 150 Millionen Euro auf der Flucht! Er wird in Caracas in Venezuela gesichtet, angeschossen. Am 8. März 2013 wird er von der italienischen Polizei und Zielfahndern des FBI in der weltberühmten Gemälde-Sammlung der Uffizien in Florenz verhaftet. Das Ende eines Finanz-Jongleurs, der den BVB nur benutzt hat.Reinhard „Stan“ Libuda: Der Tor-Held aus dem Europapokalfinale der Pokalsieger 1966, der Super-Dribbler, der mit seiner Bogenlampe in Glasgow in der Verlängerung gegen den großen FC Liverpool (2:1) für den ersten Europacup-Triumph einer deutschen Mannschaft sorgt, ist eigentlich ein schüchterner, introvertierter Junge aus dem Pott. Dass bei der Rückkehr der Europapokal-Helden ganz Dortmund auf den Beinen sein wird, scheint Libuda in der Siegernacht im Hotel Angst zu machen. „Die werden uns richtig feiern“, verspricht ihm sein Zimmerkollege Alfred „Aki“ Schmidt – „Du bist ja verrückt“, entgegnet Libuda. Nein, Star-Rummel ist nicht seine Sache. Bei der WM 1970 in Mexiko, der einzigen in seiner schillernden Karriere, wird Libuda ständig vom Heimweh geplagt. 1968 kehrt er vom BVB zum FC Schalke 04 zurück, 1970/71 macht er den Fehler seines Lebens. Libuda und seine Schalker Teamkollegen lassen sich im Sog des Bundesliga-Bestechungsskandals kaufen! Der Super-Techniker wird zunächst auf Lebenszeit gesperrt und dann 1973, nach einem Jahr im Exil bei Racing Straßburg, begnadigt. Nach seinem Karriere-Ende 1976 auf Schalke verläuft der Absturz rasant. Seine Ehe geht in die Brüche und Libuda ist lange Zeit ohne Job, verliert das zusammen gedribbelte Geld. Erst auf Vermittlung seines Ex-Mitspielers Rolf Rüssmann bekommt er Arbeit in einer Druckerei. Später übernimmt er den Tabakladen vom nicht minder legendären Schalker Ernst Kuzorra, den er aber dann an Heinz van Haaren abgibt. 1992 erkrankt Libuda an Krebs, 1996 stirbt der inzwischen völlig zurückgezogen in Gelsenkirchen-Haverkamp lebende Dribbelkünstler nach einem Schlaganfall.

Flemming Povlsen – Der „Urlaubs-Europameister“, der mit Nachrücker Dänemark 1992 die Fußballwelt verblüfft und in Schweden mit „Danish Dynamite“ gegen Deutschland den Titel holt, kommt 1990 von der PSV Eindhoven zu Borussia Dortmund. Es dauert lange, bis der in Real Madrids Farm-Team FC Castilla ausgebildete Stürmer sein erstes Tor für den BVB erzielt. Erst am 6. Oktober 1990 netzt Povlsen zum 1:1-Ausgleich gegen den Hamburger SV ein. Povlsen wird Stammspieler, seine lockere, offene Art und sein unermüdlicher Einsatz machen ihn vom Start weg zum Liebling der Fans im Westfalenstadion. „Er trifft für einen Stürmer nicht sehr oft das Tor“, sagt BVB-Manager Michael Meier über ihn, aber die Leute lieben ihn. Er läuft wie ein Verrückter über den Platz, rauf und runter. Die Dortmunder Fans sagen dann: Macht nix, Flemming, ist in Ordnung so.“ Im Pokal-Krimi beim 1. FC Kaiserslautern (3:6 n. V.) wird Povlsen schwer verletzt. Er zieht sich einen Kreuzbandriss zu und muss am Saisonende 1994/95 im Alter von nur 28 Jahren seine Profi-Karriere beenden. Sein Abschied aus Dortmund bei der Meisterfeier bringt die pure Emotion. „Ich bin sehr stolz, ein Borusse gewesen zu sein“, sagt Povlsen beim Empfang am Friedensplatz – und verabschiedet sich in die Sportinvalidität.Der BVB hat die liebsten Feinde…„Schalke und Bayern haben Dortmund gerettet“, sagen viele BVB-Hater. Und es stimmt, auch wenn mancher in Schwarz und Gelb das nur zähneknirschend zugeben mag. Die Blau-Weißen vom Schalker Markt und die Großkopferten aus München sind also die ,,liebsten Feinde“ der Dortmunder, frei nach Werner Herzog….

Der BVB erhält vom FC Schalke 04 eine kräftige Anschubhilfe. Anfang 1974 krebst der Revierklub in der zweitklassigen Regionalliga West herum. Präsident Heinz Günter hat dem Verein einen rigiden Sparkurs verordnet. Das Eröffnungsspiel des neuen Westfalenstadions lockt am 2. April 1974 gegen den Revier-Rivalen FC Schalke 04 rund 50.000 Zuschauer an – und beschert dem BVB einen warmen Regen in die Kassen. Es steht schlecht um die Borussia in diesen Tagen. Das Spieljahr 1973/74 kann man nur zu Ende bringen, weil die Spieler im Frühjahr 1974 auf einen Teil ihrer Gehälter verzichten. Die besten Spieler hat man zu diesem Zeitpunkt bereits nach Notverkäufen abgegeben. Hans-Werner Hartl wird regelrecht zum VfL Bochum, auch nicht gerade ein mit Borussia Dortmund in inniger Freundschaft verbundener Klub, abgeschoben. Auch Theo Bücker wird aufgrund der Finanznot an den MSV Duisburg verkauft. Die Dortmunder Resterampe muss arge Kritik von Trainer Janos Bedl einstecken: „Wenn ein Profi für so viel Geld so wenig Leistung zeigt, muss ich ihm auch seine Grenzen zeigen können.“ Das klappt nur bedingt. Nach einem 1:1 bei Schlusslicht Viktoria Köln muss Bedl gehen. BVB-Idol Dieter „Hoppy“ Kurrat († 2017) übernimmt und erreicht mit dem Team das Minimalziel: Platz 6 und Qualifikation für die neue, zweigleisige 2. Bundesliga.

Dortmund und das Geld – Das ist immer so eine Sache! Nach dem rauschenden Triumph in der Champions League 1997 fragen sich viele Skeptiker: Wie finanzieren die das eigentlich alles? Der Luxus-Kader des BVB mit den Ex-Italien-Legionären Julio Cesar, Jürgen „Fußballgott“ Kohler, Andreas Möller, Karl-Heinz „Air“ Riedle, Stefan Reuter und Matthias Sammer kostet den Verein ein Vermögen. Dass dem BVB angeblich die Kohle fehlt, um das Star-Ensemble weiter zu befeuern, bringt die Süddeutsche Zeitung ausgerechnet am Finaltag in der Champions League. Dr. Gerd Niebaum, „Architekt“ der Dortmunder Erfolge, aber auch Beinahe-Bankrotteur und Hasardeur, empfiehlt „diesen Artikel ganz tief in die Mülltonne zu kloppen.“ Dabei liegen die Journalisten richtig. Völlig überraschend verkauft Dortmund im Sommer 1997 den 2-fachen Final-Torschützen Karl-Heinz Riedle zum FC Liverpool in die englische Premier League. Für 2,5 Mio. Euro – ein Schnäppchen. Die Folge: Borussia Dortmund kann zum Ende des Bilanzjahres wieder schwarze Zahlen vorweisen und die finanzielle Schieflage (noch) unter der Decke halten. Der Trick mit dem Riedle-Transfer wirkt zwar, doch Erfolgstrainer Ottmar Hitzfeld sieht klar. Er erhält im Sommer 1997 nicht mehr die gewohnt großzügigen Summen für neue Stars – und zieht sich enttäuscht auf den eigens für ihn geschaffenen Posten des „Sportdirektors“ zurück, wo der 2-malige Meistercoach allerdings nicht viel bewegt. Sein Nachfolger Nevio Scala erreicht die Mannschaft trotz guter Deutschkenntnisse nie wirklich und Dortmund beendet die Saison nach dem größten Erfolg der Vereinsgeschichte auf Rang 10 – und ohne die wertvollen Mehreinnahmen aus dem internationalen Fußball.

Börsen-Borussia – Am 31. Oktober 2000 geht Borussia Dortmund als erster deutscher Fußballverein an die Börse. Mit Hilfe der Deutschen Bank wird die Aktie zum Ausgabepreis von 11,00 Euro herausgegeben. Dieses ist auch der absolute Höchstkurs, der bis zum 30. November 2019 nie wieder erreicht werden wird. Der Verein platziert 13,5 Mio. Aktien am Markt, was einen Netto-Emissionserlös von 150 Mio. Euro bedeutet. Mit diesem Geld wird Borussia Dortmund ab 2000 den Transfermarkt überschwämmen. Im Sommer 2002 liegt die Summe der Investitionen für neue Stars bereits bei mehr als 100 Mio. Euro. Ein Schritt, der in die Zeit passt. Deutschland ist im Börsen-Fieber Mit der Einführung des „Neuen Markts“ als eigenem Börsensegment im Jahr 1997 soll sich auf dem Parkett alles ändern. Zusätzlich hat der Börsengang der Deutschen Telekom das Spekulieren mit Aktien zum neuen Volkssport gemacht. Es wird eine Vielzahl von Internet-, Telekommunikations- und Technologie-Emissionen geben, die von Privatanlegern umfänglich gezeichnet oder an den ersten Börsentagen gekauft werden. Die Anleger glauben den Börsenprospekten, das Land, in dem die Investition in Aktien am wenigsten verankert ist, wird zum Zocker-Country. Die Medien stacheln die Euphorie, mit immer neuen Superlativen weiter an. Goldgräberstimmung!

Borussia Dortmund und sein geschäftstüchtiger Boss Dr. Gerd Niebaum wollen von dieser Boom-Phase profitieren. Sie beauftragen ein Konsortium unter Führung der Deutschen Bank den Börsengang vorzubereiten. Die Erwartungen an die erste „Fußball-Aktie“ sind riesig. Schon wenige Tage vor der Erstausgabe, laufen bei Borussia Dortmund die Telefone heiß. Fast 11.000 Vereinsmitglieder haben schon vor der am 23. Oktober 2000 starteten Preisfindungsphase versucht, die Aktie zu zeichnen. Die Experten kommen aus den Lobeshymnen kaum noch heraus. „Deutschland gehört zu den größten Märkten für Fußball, Dortmund ist ein Topverein und damit eine Topmarke“, jubelt etwa der Analyst Jan Herbst vom Investmenthaus Oppenheim Finanzanalyse. Während Niebaum und Co. die Anleger mit „Renditen im 2-stelligen Bereich“ locken, werden mahnende Stimmen überhört. Die Bewertung der BVB-Aktie hänge nicht allein am Erfolg des Unternehmens, warnen erfahrene Investmentbanker schon vor dem Start, sondern auch von der Leistung der BVB-Kicker. Viele europäische Klubs, die börsennotiert sind, – Tottenham Hotspur macht in England 1983 den Anfang – haben mit starken Kursschwankungen zu kämpfen und sind, was ihre Kursentwicklung anbetrifft, keine gute Kapitalanlage. „Spielt eine Mannschaft schlecht, gehen die Einnahmen automatisch zurück“, erklärt Karsten Rahlf von der Hamburger Vereins- und Westbank das Aktien-Dings noch mal für Blöde, „das Schöne an einer solchen Aktien ist, dass die Kleinanleger die Entwicklung des Fußball-Titels verstehen.“ Andere sehen es kritisch: „Die Aktie wird zur reinen Investmentanlage oder zum Liebhaberstück“, glaubt ein Frankfurter Investmentbanker.

Die Mahner werden recht behalten. Schon am ersten Tag schließt das Papier mit erheblichen Verlusten, zum Ende des ersten Handelstages notiert die Aktie an der Frankfurter Börse bei 9,52 Euro. Niebaum, Manager Michael Meier und ihr Team lassen sich von den Börsen-Journalisten trotzdem feiern. Im November 2002 liegt der Aktienkurs bei 2,50 Euro. Der vermeintlich clevere Schachzug mit der BVB-Aktie wird zum Mega-Flop. Eine Dividende wird nie gezahlt, Kursgewinne gibt es nicht. Der Tiefstkurs wird im Jahr 2009 mit 0,85 Euro notiert. Damit sind die Aktien gerade noch das Papier wert, auf dem sie gedruckt sind. Mittlerweile liegt der Kurs (Stand 29. November 2019) bei ca. 8.50 Euro. Den Hype um den Börsengang der Dortmunder wird schon im Vorfeld von vielen Medien als absoluter Coup gefeiert, was Bayern-Macher und Börsen-Spezi Uli Hoeneß auch nach Jahren noch ärgert: „Die meisten Journalisten haben ja von der Börse leider Gottes ja nun mal überhaupt keine Ahnung und wir vom FC Bayern sind damals als Trottel hingestellt worden, weil wir nicht an die Börse gegangen sind.“

2004 steht der BVB nach der verschwenderischen Politik von Präsident Dr. Gerd Niebaum (,,Dr. Gott“) vor der Insolvenz. Im Quartier der deutschen Nationalmannschaft in Portugal wird zur Europameisterschaft sogar über einen Lizenzentzug für den Ex-Meister getagt. Hilfe kommt ausgerechnet aus München Als die Dortmunder nicht mehr weiterwissen und Gehälter nicht mehr zahlen können, gibt der FC Bayern ,,ohne Sicherheiten“, wie es Macher Uli Hoeneß später formuliert, 2 Millionen für einige Monate. Es soll sich um eine Zahlung aus dem Jahr 2005 handeln. Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke bestätigt später den Wahrheitsgehalt der Hoeneß-Aussage. Zudem kaufen die Münchner – mitten in der Transfermarkt-Flaute jener Jahre – Dortmunds zu diesem Zeitpunkt einzigen Topstar, Torsten Frings, für 9,5 Mio. Euro. „Wenn das Ganze vorbei ist und Sie mit Herrn Niebaum und Herrn Meier Hintergrundgespräche führen, werden Sie feststellen, dass sich der FC Bayern in diesen Wochen und Monaten sehr nobel verhalten hat“, erklärt Uli Hoeneß im November 2004 in WDR – Die Story.

Sportlich gesehen wären die Deutschen Meisterschaften des BVB 1995 und 1996 ohne den Revier-Rivalen FC Schalke 04 wahrscheinlich nicht möglich gewesen. Schalke – auf Platz 10 jenseits von Gut und Böse – hält Dortmund am 32. Spieltag im Rennen und bezwingt Tabellenführer Werder Bremen mit 4:2. Bremen-Star Mario Basler rastet anschließend aus und geht in den Katakomben des Gelsenkirchener Parkstadions auf einen Kameramann los. Ein Jahr später hilft Schalke erneut: 2:1 gegen den Titel-Rivalen FC Bayern München am 33. Spieltag und der BVB durfte feiern – dank ,,Königsblau“!

Alles andere als „königlich“ geht es am 1. April 1998 im Estadio Santiago Bernabeu in Madrid zu. Borussia Dortmund wird unverschuldet das Opfer einer der größten Pannen in einem Europacup-Spiel mit deutscher Beteiligung. Was ist passiert? Alle freuen sich auf das Champions-League-Halbfinale Real Madrid gegen Borussia Dortmund. Nur die Ultras der ,,Königlichen“ gehen zu weit. Sie reißen noch vor dem Anpfiff von Schiedsrichter Mario van der Ende aus Holland das Tor ein. Die 85.000 Zuschauer im Stadion und Millionen an den TV-Bildschirmen glauben zunächst an einen Aprilscherz. Doch das Tor vor der Nordtribüne des Bernabeu ist unter der Last der 50 Ultra-Fans tatsächlich abgeknickt. Bis ein Ersatz herbeigeschafft wird, vergehen 76 Minuten. Ein Königreich für ein Tor! Dieses muss erst vom Trainingsgelände der „Königlichen“ herangekarrt werden. Der ,,Tor-Fall“ von Madrid treibt unterdessen RTL-Moderator Günther Johannes Jauch im Kölner Studio und Live-Reporter Marcel Reif zu Höchstleistungen. Sie witzeln um die Wette und erhalten für Kalauer wie ,,Das erste Tor fiel in der 0. Minute“ oder ,,Ein Tor würde dem Spiel gut tun“ 1998 den Grimme-Preis. Eine Sternstunde des deutschen Fußball-Fernsehens. „Es war ein Abend der Anarchie. Champions-League-Spiele sind bis auf die letzte Sekunde durchgeplant, solch ein Chaos schien schlicht nicht möglich“, erinnert sich Marcel Reif zum 10. Jahrestag 2008 in der WELT, „und auch für den Sender war die Situation sehr unappetitlich. Es wusste beispielsweise niemand, ob Werbung gezeigt werden darf. Es war auch nicht möglich, ein Ersatzprogramm zu senden, da niemand wusste, ob und wann es weitergeht.“ Borussia Dortmund dagegen verpasst die Gunst der Stunde: Anstatt Protest einzulegen und erst gar nicht anzutreten, wird schön brav gespielt – man will ja niemandem Probleme bereiten – und mit 0:2 verloren. Eine zu hohe Hypothek für das Dortmunder Rückspiel (0:0). Der Titelverteidiger ist raus.

KFC – Kevin’s Failed Club. Mit Kevin Großkreutz sieht man ab 2018 erstmals einen deutschen Weltmeister von 2014 in der 3. Liga. Wie konnte es so weit kommen? Am 2. März 2017 wird der Vertrag des 6-maligen deutschen Nationalspielers beim VfB Stuttgart aufgelöst. Grund ist eine Schlägerei in einem Stuttgarter Rotlichtlokal, das Großkreutz zusammen mit einigen VfB-Jugendspielern besucht hat. Großkreutz, gezeichnet von der Prügelei und mit Tränen in den Augen, kündigt seinen (vorläufigen) Rückzug aus dem Profifußball an: „Ich werde jetzt erst mal ruhiger machen und möchte mit dem Profi-Fußball erst mal nichts mehr zu tun haben. Ich hoffe, die Presse lässt meine Familie und mich jetzt einfach mal in Ruhe.“ Bis zu seinem Wiedereinstieg im Sommer 2017 bei Bundesliga-Absteiger Darmstadt 98 hält sich der Ur-Dortmunder im Training von BVB II fit. Im Sommer 2018 wechselt Großkreutz dann zum Drittliga-Aufsteiger KFC Uerdingen. Was er sich damit angetan hat, kann er zum Saisonstart nicht wissen. Wie die Zeitschrift SPORT BILD (Ausgabe 18 / 2019) berichtet, laufen mehr als 30 Gerichtsverfahren gegen den KFC, der zu diesem Zeitpunkt in der Duisburger Schauinsland-Reisen-Arena im rheinischen Exil spielen muss. Die Fäden zieht in Uerdingen der russische Milliardär Michail Ponomarew. Sein Motto: ,,Wer nicht spielt, kriegt auch kein Geld“. Damit beißt der Russe bei den geschassten KFC-Profis und den 3 (!) gefeuerten Trainern Stefan Krämer, Michael Wiesinger und Norbert Meier auf Granit. Einen Skandal liefert auch der Ex-Dortmunder Großkreutz. Im Mai 2019 ist der gefallene BVB-Held einmal mehr in eine Schlägerei geraten. Der Ex-Nationalspieler kommt bei einer Partie seines Heimatvereins VfL Kemminghausen III gegen Brambauer II in der Kreisliga C zwischen die Fronten. Großkreutz verzichtet hinterher auf eine polizeiliche Anzeige.

Kaum ein Spieler hat bei Borussia Dortmund Fans und Medien stärker polarisiert als Andreas „Andy“ Möller. Der gebürtige Frankfurter landet 1988 beim BVB. Der pfeilschnelle Stürmer sprintet im Stile eines Weltklasse-Leichtathleten und wird auch dank seiner exzellenten Schusstechnik zum Publikumsliebling im Westfalenstadion. Das ändert sich im Frühjahr 1990. Eintracht Frankfurt will das selbst ausgebildete Supertalent zurück haben. Und Möller, der seine überragende Technik als Kind im Frankfurter Stadtteil Sossenheim mit dem Spielen von Tennisbällen trainiert hat, folgt dem Ruf der Main-Metropole, wo zu diesem Zeitpunkt noch wesentlich üppiger bezahlt wird als in Dortmund. Das kommt später. Möller macht aber einen unverzeihlichen Fehler: Via Stadionmikrofon gibt er bekannt: „Ich werde und will meinen Vertrag bei der Borussia erfüllen!“

Wird er nicht – Möller wechselt kurze Zeit später dann doch. Dass Katharina Niebaum, die Tochter von BVB-Boss Dr. Gerd Niebaum für den in Ungnade gefallenen Regisseur in letzten Heimspiel gegen den 1. FC Kaiserslautern (1:1) ein Gedicht vorträgt, das mit „Andy Möller, Dankeschön“ endet, ist an Kitsch nicht mehr zu überbieten. 1994 ist Möller wieder da. Angelockt von den UEFA-Cup-Millionen von Borussia Dortmund kehrt er an den Borsigplatz zurück. Er wird anfangs ausgepfiffen und erst sein Slalom-Tor zum 3:2-Sieg im Revier-Derby 1994 gegen den FC Schalke 04 bricht das Eis. „Turbo-Möller“ kämpft beim BVB in seiner 2. Schaffensphase vor allem gegen den Ruf, ein „ewiges Talent“ zu sein, erfolgreich an. Er führt die Borussia 1995 zur ersten Meisterschaft in der Bundesliga und leistet sich direkt danach den nächsten peinlichen Moment: „Das ist der schönste Tag in meinem Leben. Weltmeisterschaft, Geburt meiner Tochter, nichts da, das ist der Tag heute – und dem Trainer werde ich wahrscheinlich ewig dankbar sein.“ Die Titelverteidigung 1996 und der Champions-League-Sieg 1997 sind ebenfalls mit der Spielstärke von Andreas Möller verbunden. Möller wäre aber nicht Möller, wenn sein erneuter und finaler Abgang von BVB nicht auch spektakulär wäre. Im Sommer 2000 schließt er sich dem Dortmunder Erzrivalen FC Schalke 04 an – und wird somit auch einer der „liebsten Feinde“ des BVB…[svc_carousel_layout car_autoplay=”yes” loadmore=”yes” grid_link_target=”nw” dexcerpt=”yes” dmeta_data=”yes” dsocial=”yes” query_loop=”size:16|order_by:date|order:DESC|post_type:post” grid_thumb_size=”200X172″ svc_class=”bigger-slider” title=”MEHR VON LIGALIVENET – DIE GEHEIMNISSE DER BUNDESLIGAVEREINE”]Borussia Dortmund ist erster deutscher Europapokalsieger (1966). Das weiß jeder. Hier kommen 20 Fun Facts zum BVB mit ,,Wow“-Effekt.

Borussia Dortmund war irgendwie schon immer heimstark. Das erste Heimspiel, das die Borussia in der Oberliga West (bis 1963) verliert, gibt es erst in der 3. Saison in dieser Spielklasse und zwar am 2. April 1950 mit 0:1 gegen den späteren Vizemeister Preußen Dellbrück mit einem gewissen Fritz Herkenrath, seines Zeichens deutscher Nationaltorhüter bei der WM 1958 in Schweden.

Der erste Nationalspieler: August Lenz (1910 – 1988) war 1935 der erste Nationalspieler des BVB. Er lief bis 1938 in insgesamt 14 Länderspielen für Deutschland auf. ach seiner aktiven Laufbahn betrieb Lenz 33 Jahre lang eine Kneipe am Borsigplatz in Dortmund. Das Gesicht von August Lenz ist heute neben dem Stadtadler mit BVB-Emblem das Logo der Dortmunder Ultra-Fangruppierung The Unity.

Schwacher Titelverteidiger: In der Saison 1966/67 war für Borussia Dortmund als Europapokalsieger der Pokalsieger schon in der 2. Runde Schluss: 1:2 und 0:0 gegen die Glasgow Rangers aus Schottland.

In der Kneipe: Der BVB wurde am 4. Advent 1909 von 18 Personen im Wirtshaus „Zum Wildschütz“ gegründet.

Bierussia: So heißt nicht nur ein bekannter BVB-Fanclub aus Niedersachsen! Der Vereinsname „Borussia“ geht auf die Borussia-Brauerei in der Nähe des Borsigplatzes zurück.

Erstes Spiel, erster Sieg: Die erste Partie des BVB fand am 15. Januar 1910 statt: Ein 9:3 gegen den VfB Dortmund.

Das erste Zuhause: Der erste BVB-Sportplatz hieß „Weiße Wiese“, weil am Rand stehende Pappeln den Rasen mit weißen Blüten bedeckten.

Herr Lehmann: Torhüter Jens Lehmann führt mit vier Platzverweisen die interne Rot-Rangliste des BVB an.

Kein Derbysieger: Der 1:0-Derby-Sieg gegen VfB Dortmund 1913 wurde annulliert. Das Tor war 22 Zentimeter zu breit. Der Schiri besorgte das Maßband von einem Bauernhof.

Noch eine Schnurre aus der „alten“ Oberliga: Borussia Dortmund gewinnt in der Saison 1950/51 mit 5:0 gegen den rheinischen Namensvetter aus Mönchengladbach mit 5:0. Dumm nur, dass der BVB Alfred Meinsen eingesetzt hat. Dessen Spielberechtigung ist in Wahrheit eine gefälschte Abmeldebestätigung. Die Punkte werden Dortmund am „grünen Tisch“ aberkannt, Meinsen bleibt bis März 1953 gesperrt.

Trainer-Schleuder: Bis 1986 und zur Amts-Übernahme durch Reinhard Saftig, der Borussia von Rang 16 in den UEFA-Cup führte (1987), galten der Verein als unseriös geführt und das Westfalenstadion als Trainer-Katapult.  Allein im Kalenderjahr 1983 gaben sich mit Karlheinz Feldkamp, 2-mal Helmut Witte, Uli Maslo, und Hans-Dieter Tippenhauer 5 BVB-Trainer die Klinke in die Hand.

Europas Bester: Matthias Sammer von Borussia Dortmund war 1996 der bis heute letzte deutsche Spieler, der die Auszeichnung ,,Fußballer Europas“ (Ballon d‘ Or) erhielt.

Diese Trainer coachten den BVB 2-mal: Uli Maslo (1978/79 und 1983), Udo Lattek (1979-1981 und 2000), und Helmut Witte (1983 / 2- mal).

Die gleiche Meisterelf: Einmalig in der Historie der Deutschen Meisterschafts-Endspiele (1948 bis 1963) – der BVB holt sich 2-mal in Folge mit der gleichen Aufstellung den Titel. Heinrich Kwiatkowski; Wilhelm Burgsmüller, Herbert Sandmann; Elwin Schlebrowski, Max Michallek, Helmut Bracht; Wolfgang Peters, Alfred Preißler, Alfred Kelbassa, Alfred Niepieklo (,,Die 3 Alfredos“) und Helmut Kapitulski – das sind die 11 Meisterhelden für die Ewigkeit.

„Schiri, hast du gesoffen?“ – Diese Frage stellt Dortmunds Max Michallek am 11. November 1951 am Essener Uhlenkrug beim 2:3 gegen Schwarz-Weiß Essen. BVB-Spieler Erich Wieding liefert sich an der Seitenlinie eine handfeste Schlägerei mit einem Platzordner und Michallek unterstellt Schiedsrichter Fähnrich eine Alkohol-Fahne. Dass der Referee in der Tat getrunken hat, wird durch eine sofortige Blutprobe nach dem Spiel wiederlegt. Die „Schiedsrichterbeleidigung“ kostet Michallek 100 Mark Geldstrafe.

Die BVB-Brust ist Gold wert: Der Bekleidungshersteller „s. Oliver“ zahlt ab 1998 pro Saison 12 Millionen Mark, um auf den goldgelben Trikots für Borussia Dortmund werben zu dürfen. Das ist zu diesem Zeitpunkt ein neuer Rekord in der Bundesliga.

Der jüngste Bundesliga-Spieler: Nuri Sahin von Borussia Dortmund ist nicht nur jüngster Akteur in der Vereinsgeschichte, sondern auch in der Historie der deutschen Fußball-Eliteliga. Bei seinem Profi-Debüt am 16. Juli 2005 gegen Sigma Olmütz im UI-Cup ist der Deutsch-Türke 16 Jahre, 10 Monate und 18 Tage alt.

Pokal-Fluch: 1989 holt die Borussia nach 23 Jahren mit dem DFB-Pokal (4:1 gegen Werder Bremen in Berlin) endlich wieder einen Titel. Es folgt: Der Fluch der guten Tat. Zwischen 1989/90 und 2008 (Finale gegen die Bayern) erreicht der Klub nie wieder das Endspiel, sondern leistet sich 4-mal ein ,,Aus“ in der 1. Runde) und 5-mal in Runde 2.

In Berlin ist kein Zimmer frei: Na sowas, Endspiel um die Deutsche Fußballmeisterschaft 1956 in Berlin – und der BVB hat ein massives Quartierproblem. Einen „Accomodation-Manager“ hat man damals noch nicht. Da sich das ursprünglich Hotel als untauglich und der Final-Gegner Karlsruher SC im freien Casino-Hotel bereits abgestiegen ist, findet man erst im 4. Anlauf mit dem Hotel Nestor eine Übernachtungsmöglichkeit für das große Spiel, das am 24. Juni 1956 mit 4:2 gewonnen wird.

Der jüngste Präsident: Im März 1979 wird der seit 1976 in einer Dortmunder Sozietät als Rechtsanwalt tätige Reinhard Rauball in einer hitzigen Mitgliederversammlung zum neuen BVB-Präsidenten gewählt. Er ist mit gerade mal 32 Jahren der jüngste Präsident der Bundesliga.Es ist heiß. Unfassbar heiß. Die tropische Hitze, die an diesem 19. Mai 1986 im Dortmunder Westfalenstadion herrscht, ist mir am meisten in Erinnerung geblieben. Die 4 gleichförmigen Tribünen bieten mit einer Ausnahme keinen Schatten. Deshalb habe ich mich wohl die meiste Zeit des Spiels über vor der Südtribüne herumgedrückt. Dort spürt man – anders als sonst – eine absolut angespannte Stimmung. Die BVB-Fans wissen ebenso wie wir alle: Wenn wir das 0:2 aus dem Hinspiel im Südstadion gegen Fortuna Köln nicht umbiegen, dann war‘s das. Dann steigt Borussia Dortmund zum zweiten Mal nach 1972 aus der Bundesliga ab.

Fortuna Köln, der Verein, der vielen Fans in Deutschland wohl nur als „Lebenswerk“ des Unternehmers Hans „Jean“ Löring († 2005) in Erinnerung geblieben sein dürfte, hat Dortmund 1983 schon mal eine große Chance kaputt gemacht. Mit 5:0 hat man den BVB im DFB-Pokal-Halbfinale mit 5:0 deklassiert! Und jetzt? Eigentlich können wir froh sein, dass wir diese Chance in den Relegationsspielen überhaupt noch haben! Unsere Saisonleistung ist mit „unterirdisch“ noch milde ausgedrückt. Mit den Trainern Pal Csernai und Reinhard Saftig haben wir mit Schwarz-Gelb nach der alten 2-Punkte-Wertung nur 28 Zähler geholt. Das ist die mieseste Bilanz für den BVB seit der Abstiegs-Saison 1971/72. Schon ein Jahr zuvor hat uns nur ein 2:0 gegen Werder Bremen am letzten Spieltag vor dem Gang in die Relegation bewahrt.

In Dortmund scheint nix mehr zu gehen. Sportlich nicht, finanziell schon gar nicht. Es müssen Notverkäufe her. Deshalb wird Torhüter Eike Immel am Saisonende zum VfB Stuttgart wechseln. Das wird dem BVB 1,6 Millionen Mark bringen. Die schwierigste Entscheidung habe ich aber selbst zu treffen: Dass ich mir mit dem Dortmunder Erzrivalen FC Schalke 04 über einen Wechsel am Saisonende einig bin, hat die BVB-Fans verärgert. Sie schimpfen mich „Judas“, sie beleidigen mich oft auch bei Besuchen in der Innenstadt und pfeifen mich seit Bekanntwerden meines Wechsels bei jedem Spiel gnadenlos aus. Dass Dortmund dadurch noch mal 1,35 Mio. Mark kassiert, interessiert sie nicht. Es läuft scheinbar alles schief.

Wir liegen gegen die Kölner auch im Rückspiel zur Pause zurück. 0:1. Unser Glück ist, dass es in den Relegationsspielen noch keine Auswärtstor-Regel gibt, sonst bräuchten wir schon 4 Tore, um die Fortuna unten zu halten. Aber: Schon 3 Tore gegen diese verbissen verteidigende Mannschaft zu erzielten, ist an so einem heißen Tag ungefähr so leicht, als müsste man den Möhnesee mit einem Bierglas leer schöpfen. Wir sind körperlich am Ende. Die Beine werden immer schwerer, der Kreislauf spielt verrückt. Irgendwann kämpfst du nur noch im Unterbewusstsein weiter, weil dein Körper den Kopf überstimmt. Du willst nur eines: Nicht absteigen!

In der Kabine herrscht zur Pause Grabesstille. Ich schaue Eike Immel tief in die Augen. „Kobra“, so ist mein Spitzname, weil ich mich als Torjäger selbst mal als ,,giftiger als die giftigste Schlange“ bezeichnet habe, „Kobra“, brüllt er mich irgendwann an, „ich schwöre dir, dass wir nicht absteigen!“

Ja, gut! Aber wie? Irgendwie gelingt es uns, dieses Spiel noch zu drehen. Auch mit freundlicher Unterstützung von Schiedsrichter Aaron Schmidthuber aus Ottobrunn. Ein Bayer hilft dem BVB, in diesem Fall mit einem Elfmeter, über den sich der Gegner fürchterlich aufregt. Ich aber sage: Die Kölner waren selbst schuld! Die hätten uns im Hinspiel abschießen können. Über ein 0:4 oder 0:5 hätten wir uns nicht beschweren dürfen. Michael Zorc, mit 463 Bundesliga-Spielen und 49 verwandelten Elfmetern Rekordspieler des BVB und eine Art „Mister Borussia“, holt uns nach 54 Minuten mit dem 1:1 am Ohr wieder in dieses Spiel rein. „Susi“ weiß, was auf dem Spiel steht. „Es ging um die Existenz des Klubs und auch einiger Spieler, es war nicht so, dass die Verträge Anfang oder Mitte der 80-er so üppig gestaltet waren“, wird er das Drama Jahre später zusammenfassen. Dann köpft Marcel Raducanu das 2:1. Ich hole bei beiden Treffern den Ball aus dem Netz, um ein mögliches Zeitspiel der Kölner zu verhindern. Es sind jetzt noch 22 Minuten zu spielen und wir brauchen noch ein Tor, um ein 3. Spiel zu erzwingen.

Dass das Rückspiel erst in der 90. Minute entschieden wird, ist mir schon vorher klar. Das habe ich unserem Trainer Reinhard Saftig in einer Besprechung schon 3 Tage zuvor gesagt. Verbunden mit der Forderung, mich bis zum Abpfiff auf dem Platz zu lassen. Saftig hört auf mich. Mit der Hereinnähme von Ingo Anderbrügge, der nach 46 Minuten für Lothar Huber kommt, tätigt er ohnehin in diesem Schlüsselspiel nur eine Einwechslung. Sie wird Gold wert sein.

Die Nachspielzeit läuft schon. Bleibt es beim 2:1, ist Borussia Dortmund abgestiegen. Der 3-malige Deutsche Meister, der erste deutsche Europapokalsieger von 1966, steht dann finanziell vor einer düsteren Zukunft. Dass man ein Jahr später am letzten Spieltag in Frankfurt mit einem 4:0 in den UEFA-Cup stürmen, auf Ringelsocken 1989 den DFB-Pokal gewinnen und mit Ottmar Hitzfeld 1991 einen Trainer holen wird, der den Verein zur 2. Kraft im deutschen Fußball macht – Das wäre alles Zukunftsmusik geblieben! In diesem Moment steht die 2. Liga wie eine riesige Mauer vor uns, die es zu erklimmen gilt – Mit Vereinen wie Viktoria Aschaffenburg, Union Solingen, dem Dorfklub FSV Salmrohr oder den Derbys mit meinem ersten Profi-Verein Rot-Weiß Essen. Das alles wäre eine Blamage für den BVB, der seit Jahren auf der Suche nach der verlorenen Zeit ist. Der Verein hat irgendwie alles: Tolles Stadion, großartige Fans – aber eben (noch) kein Erfolgskonzept. Es kommt anders. Zum Glück. Für mich, für den BVB, für die ganze Region.

Bis heute sprechen mich die BVB-Fans auf meinen Treffer zum 3:1 an, der uns das 3. und entscheidende Spiel in Düsseldorf beschert. In meinem Kopf ist das Tor bis heute präsent. Dieser Film wird wohl ewig vor meinem geistigen Auge ablaufen. Wie in Trance sehe ich nach einer Rechtsflanke von Bernd Storck eine doppelte Kopfballverlängerung von Michael Zorc und Daniel Simmes. Am langen Pfosten kommt Ingo Anderbrügge an den Ball und haut ihn instinktiv, aber aus ungünstigem Winkel aufs Tor. Kölns Torhüter Jacek Jarecki kann die Kugel nur abprallen lassen – und da stehe ich.

Ich, Kobra Wegmann. Ich stochere den Ball irgendwie über die Torlinie, laufe mit dem Ball über die Torlinie. Den hochspringenden Daniel Simmes auf den Fotos von meinem Treffer habe ich in der ganzen Saison nicht so fit gesehen wie in diesem Moment…

Sekunden später steht ein Fan vor mir und umarmt mich. Ich weiß gar nicht, was los ist. Andere schon. „Die Befreiung durch das 3. Tor von Jürgen Wegmann kam natürlich einer Explosion gleich“, hat es mein damaliger Chef, BVB-Präsident Dr. Reinhard Rauball, ein bisschen blumiger formuliert. Jedenfalls haben mir die BVB-Anhänger wohl in diesem Moment verziehen, dass ich nach Schalke wechsele. Mein Trikot habe ich nach dem Spiel in die Fan-Massen geworfen. Es wird nicht zurückgeworfen.„Zuerst hatten wir kein Glück – und dann kam auch noch Pech dazu.“ (BVB-Stürmer und Liga-Philosoph Jürgen „Kobra“ Wegmann)

„Es steht noch Null-Null.“ (BVB-Kapitän Michael Zorc im ,,Aktuellen Sport-Studio“ im ZDF auf die Frage, ob Borussia Dortmund im UEFA-Cup-Finale 1993 eine Chance gegen Juventus Turin hat).

„Wenn ich am Ende ganz oben stehe, dann können die Leute mich auch ,Arschloch‘ nennen, das ist mir egal.“ (BVB-Leader Matthias Sammer auf die Frage nach seinem Spitznamen „Motzki“)

„Frank Mill ist mit allen Abwassern gewaschen.“ (Norbert „Nobby“ Dickel über seinen kongenialen BVB-Sturmpartner Frank „Fränkie“ Mill)

„Wenn die Zuschauer Emotionen wollen, du aber Rasenschach anbietest, muss sich einer von beiden ein neues Stadion suchen.” (Jürgen Klopp)Infos umfassen: Alter der Spieler, Einsätze, Gespielte Minuten, Gegentore, Zu Null gespielt, Einwechselungen, Auswechselungen, Gelbe Karten, Rote Karten, Ampelkarten. 

 

Offizielle Website von Borussia Dortmund

 

Wikipedia-Eintrag von Borussia Dortmund

 

Borussia Dortmund Zahlen und Fakten


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