Jimmy Hartwig wird 65: Der Pleite-Fußballstar, der immer wieder aufstand

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Jimmy Hartwig wird 65: Der Pleite-Fußballstar, der immer wieder aufstand

Er war eine der ersten ,,schwarzen Perlen” der Bundesliga, leistete 3-mal den Offenbarungseid, war von Halbweltgrößen umringt. Jimmy Hartwig verlor alles und kämpfte sich zurück.

Happy Birthday, William Georg Hartwig! Der Mann, der als Jimmy Hartwig eine ganze Generation von Fußallfans begeistert hat, wird am 5. Oktober 65 Jahre alt.

Jimmy ist alles, was einen Fußballprofi mit Ecken und Kanten ausmacht. Querdenker, Lebemann, Paradiesvogel, Kämpfer, Stehaufmännchen.

Als Initiator des Münchner Nationencups, Integrationsbotschafter des Deutschen Fußball-Bundes und Mitglied der DFB-Kommission „Gesellschaftliche Verantwortung“ hat der ehemalige Nationalspieler eine neue Aufgabe gefunden.

1954 im hessischen Offenbach als unehelicher Sohn eines afro-amerikanischen GI geboren, ist Jimmy Hartwig in den 1970er-Jahren einer der ersten dunkelhäutigen deutschen Nationalspieler.Jimmy Hartwig schlägt 1977 in der Fußball-Bundesliga auf. Mit 1860 München kommt er nach 3 denkwürdigen Aufstiegsspielen gegen Arminia Bielefeld erstmals in die deutsche Fußball-Eliteliga. 1978 verpflichtet ihn der HSV mit Trainer-Grantler Ernst Happel.

In Hamburg kommt die schillernde Karriere des Hessen so richtig in Fahrt. Deutscher Meister 1979, 1982 und 1983, Europapokalsieger der Landesmeister 1983 und größter Erfolg in der HSV-Geschichte, Berufung zum Nationalspieler durch Bundestrainer Jupp Derwall 1979.

„Jimmy Hartwig ist in Hamburg mit keinem anderen Spieler vergleichbar“, erklärt HSV-Reporterlegende Dieter Matz (,,Matz ab”) gegenüber Ligalive.net, „er war ein Paradiesvogel, wie ihn der HSV davor und danach nie wieder gehabt hat.“ Bis zu seinem unfreiwilligen Abgang im Jahr 1984 macht Hartwig insgesamt 182 BL-Spiele für den HSV. Mehr Liga-Spiele bestreitet er für keinen anderen Verein, bei dem er unter Vertrag steht.

Dass er in Hamburg rausfliegt, liegt an seinem Image als Spaßmacher. Im Februar 1984 ruiniert sich Hartwig beim Besuch eines Faschingsballs – eigentlich in Hamburg ein No go – seine Karriere. Denn: Offiziell ist er für das Bundesliga-Auswärtsspiel in Uerdingen krank gemeldet. Bei Happel ist er damit untendurch. Am Saisonende geben ihn die Hamburger an den 1. FC Köln ab, obwohl ihn dessen Trainer Hannes Löhr eigentlich nicht will. Zudem begeht Hartwig den für jeden Kölner Neuzugang zu jener Zeit tödlichen Fehler, sich mit dem unumstrittenen Leader Toni Schumacher (,,De Tünn”) zu überwerfen. „Ey, Hartwig, hier bin ich der Chef, hier sag ich, was los ist, hier hast du nichts zu melden“, ist die klare Ansage des Nationaltorhüters. Danach herrscht Funkstille. Schon im Oktober 1985 ist für Hartwig in Köln nach nur 24 Liga-Einsätzen (5 Tore) Schluss. Trotz der hohen Wertschätzung bei Casino Salzburg – 15.000 Fans sind bei Hartwigs erstem Spiel – kommt Jimmy nie in der Mozartstadt an. Der Paradiesvogel stürzt ab. Er zieht durch Bars und Discotheken. Dazu sorgt eine Meniskus-OP nach einem erfolglosen Neustart bei Bundesliga-Aufsteiger FC 08 Homburg 1987 für sein endgültiges Karriere-Ende. Für die Saarländer macht er nur 4 Liga-Spiele. Spätere Engagements als Trainer bei Sachsen Leipzig oder Phönix Durmersheim sind, sagen wir es offen, nix für Jimmy…

Unter der Headline „Fußball – Der Abstieg“ schildert Jimmy Hartwig in seiner im Oktober 1994 erschienenen, erfrischend-ehrlichen Lebensbeichte Ich möcht‘ noch so viel tun einen Niedergang, wie ihn viele Ex-Profis erleben.

Hartwig umgibt sich in Hamburg, Köln und München definitiv mit den falschen Leuten. Es sind die für Fußballprofis und andere Prominente so gefährlichen Schulterklopfer – und zwielichtige Typen aus dem Rotlichtmilieu. Dazu kommen ausschweifende Partys, Drogen („Ich besaß immer nur Kokain zum Eigenbedarf“) und schöne Frauen. Dieser exzessive Lebensstil und 2 Scheidungen kosten Hartwig die als Fußballprofi erspielte Kohle.

3-mal leistet er einen Offenbarungseid. 1991 und 1993 wird eine Krebserkrankung diagnostiziert, die Kämpfer Jimmy Gott sei Dank übersteht. Regelmäßig auf dem Bildschirm sieht man ihn ab 1997 wieder, als er beim Deutschen Sport-Fernsehen (heute SPORT1) Co-Moderator einer Fußball-Call-in-Show (,,Mittendrin”) ist – und auch hier seine frechen Sprüche an den Mann bringt. 2004 nimmt er an der RTL-Dschungelshow Ich bin ein Star, holt mich hier raus teil. Der Tiefpunkt. Ab 2002 schlägt er neue Karriere-Wege ein, wird Theaterschauspieler, unter anderem an der Seite des nicht minder exzentrischen Ben Becker (,,Ich stehe hier, weil ich noch keinen Bock habe, umzufallen”), des legendären Performance-Künstlers Blixa Bargeld – und irgendwann spielt Hartwig als ,,Legende auf der Couch” sich selbst. Die Planung für seinen 65. Geburtstag verrät Hartwig in einem Interview mit der Offenbach Post: ,,Es wird Kaffee und Kuchen geben, aber keine Bundesliga-Konferenz. Wir gehen zu Zehnt aufs Oktoberfest.” Hartwig lebt mit seiner Familie inzwischen am Ammersee.

Über den Rassismus, der ihm in den 1970er- und 1980er-Jahren von den Rängen entgegen schlägt, sagt Hartwig heute: ,,Ich wurde früher im Stadion von Tausenden als „Negersau“ beschimpft. Ich habe auf meine Art reagiert, indem ich die Zuschauer dirigiert habe. Ich fand es geil, weil viele nicht kapiert haben, wie ich sie lächerlich gemacht habe. Ich rufe heute stets die schweigende Mehrheit dazu auf, den Mund aufzumachen. Mut ist toll. Wer schweigt, ist aber nicht mutig.” Du, lieber Jimmy, warst es und bist es. Alles Gute zum Geburtstag!


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