,,Container-Willi” Reimann wird 70: Rekord-Transfer und Tränen-Pressekonferenz

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,,Container-Willi” Reimann wird 70: Rekord-Transfer und Tränen-Pressekonferenz

,,Der Spieler ist der Feind des Trainers” – Als Coach galt Willi Reimann als ,,harter Hund”, als ein ,,Schleifer” wie sein Ex-Teamkollege Felix Magath. Auch die Schiedsrichter waren vor dem Temperament des Ex-Stürmers nicht sicher. Den bewegensten Moment seiner Trainer-Laufbahn lieferte Reimann aber außerhalb des Rasens. Am Heiligabend wird Willi Reimann 70 Jahre alt.

Ihm verdanken wir Wolfsburg und eines der legendärsten Saisonfinals in der 2. Bundesliga. Willi Reimann, Trainerlegende und HSV-Idol, wird am Heiligabend runde 70 Jahre alt. Herzlichen Glückwunsch.

Er gilt als ,,harter Hund” und als ,,Nordisch by Nature” – Willi Reimann, Trainer-Urgestein und Ex-Profi von Hannover 96 und dem Hamburger SV, hat die Bundesliga mitgeprägt.

Es gibt mehrere Episoden mit Willi Reimann, die fast jedem Bundesliga-Fan in Erinnerung sind, egal, ob er es mit dem VfL Wolfsburg, Eintracht Frankfurt, Hannover, dem Hamburger SV hält, oder ob nicht.

Die Fußstapfen von HSV-Idol Uwe Seeler (83) sind für Reimann letztlich in Hamburg zu groß. Aber: Ein ,,Willi-Moment” schreibt Bundesliga-Geschichte.Es ist der 20. September 1989, als Willi Reimann sein vermutlich schwerstes Spiel als Bundesliga-Trainer erlebt.

Sein Abwehrchef Ditmar Jakobs ist im Nord-Derby Hamburger SV gegen Werder Bremen (4:0) bei einem Klärungsversuch ins Tornetz gerutscht und hat sich in einem defekten Karabinerhaken verfangen. Reimann und sein Betreuerteam erkennen sofort den Ernst der Lage. HSV-Masseur Hermann Rieger (1941 – 2014) und der Mannschaftsarzt retten Jakobs' Leben, indem sie ihm auf dem Spielfeld mit einem Skalpell auf dem Rasen den Karabinerhaken aus dem Rücken schneiden. Die Behandlung im Tornetz dauert 20 Minuten. Jakobs' Karriere ist damit beendet, die Bundesliga steht unter Schock.

Willi Reimann führt den Hamburger SV 1988/89 trotz enttäuschender Zuschauerresonanz – nur 17.585 Fans verirren sich im Schnitt im weitläufigen Volksparkstadion – in den UEFA-Pokal. Im folgenden Jahr erreichen die Hanseaten in diesem Wettbewerb letztmals in ihrer Klubgeschichte ein europäisches Viertelfinale. Allerdings unter Reimanns Nachfolger Gerd-Volker Schock. Der HSV und Ex-Profi Reimann haben sich am 4. Januar 1990 getrennt. Von 87 Spielen hat Reimann mit den Rautenträgern 41 gewonnen, Wettbewerb übergreifend allerdings die letzten 4 in Folge verloren.

Als Spieler steht Willi Reimann, 1974 bei seinem Wechsel von Hannover 96 nach Hamburg mit einer Ablöse von 700.000 Mark bis dahin teuerster Transfer der HSV-Geschichte, für die größten Erfolge des norddeutschen Traditionsvereine in den späten 1970er- und frühen 1980er- Jahren. Mehr HSV war nie! Beim 2:0-Triumph im Europapokalfinale der Pokalsieger am 11. Mai 1977 in Amsterdam schießen Georg Volkert und Felix Magath die Hamburger zu ihrem ersten europäischen Titel. 3 Jahre später misslingt trotz des fulminanten 5:1 im Halbfinal-Rückspiel gegen Real Madrid der 2. Coup der Hamburger im Europapokal – 0:1 im Finale gegen Nottingham Forest. Bis 1981 spielt Reimann noch für den HSV, mit dem er Deutscher Meister (1979), Deutscher Pokalsieger (1976) und Europacupsieger (1977) wird. Es zieht ihn in die nordamerikanische Profi-Liga, zu den Calgary Boomers. Den Kanadiern geht allerdings vergleichsweise schnell das Geld aus. Zum 1. Januar 1982 müssen sie den Spielbetrieb einstellen…1982 ist Willi Reimann zurück in Deutschland. Seine erste Station ist der Amateurklub SC Egenbüttel im Kreis Pinneberg.

Bis 1998 arbeitet Reimann bei fast jedem mehr oder weniger bekannten norddeutschen Verein als Trainer. Nordisch by Nature eben. Altona 93, der FC St. Pauli, der HSV, der SC Norderstedt, der Hamburger Stadtteilverein SV Lurup und ab 1995 der VfL Wolfsburg sind seine weiteren Klubs.

Mit den Wolfsburgern gelingt dem Coach mit dem Image des ,,harten Hundes” (Reimann: ,,Der Spieler ist der Feind des Trainers”) der erste große Erfolg: Aufstieg in die Bundesliga 1997, seitdem ist Wolfsburg gekommen, um zu bleiben. 1998 übernimmt Reimann überraschend das Traineramt beim 1. FC Nürnberg. Sein Ex-Teamkollege Felix Magath hat trotz des perfekten Erstliga-Comebacks hingeworfen. Der Start gelingt Nürnberg mit Reimann: In den ersten 6 Spielen bleibt der ,,Club” ungeschlagen. Doch dann kommt ein bewegender Tag in der FCN-Historie. 2. Dezember 1998, eine Pressekonferenz, die Bundesliga-Geschichte schreibt. ,,Wir haben leider heute zur Kenntnis nehmen müssen, dass unser Trainer uns verlässt”, sagt der sonst so strenge ,,ARO” unter Tränen. ,,Ich habe mich zu diesem Schritt entschlossen”, erklärt Reimann, ,,da meine Frau schwer erkrankt ist und ich die Unterstützung und Betreuung meiner Frau in den nächsten Monaten gewährleisten möchte. Die Genesung meiner Frau ist nicht absehbar, deshalb meine Entscheidung.” Angelika Reimann stirbt am 31. Dezember 1999 in Norderstedt im Alter von nur 47 Jahren an den Folgen einer Darmkrebserkrankung.

Willi Reimann nimmt eine Auszeit, kehrt danach zum FC St. Pauli auf die Trainerbank zurück und übernimmt 2002 die in die 2. Liga abgestürzte Frankfurter Eintracht. In Frankfurt wird Reimann zum Aufstiegs-Trainer, er führt das Team am letzten Spieltag 2002/2003 zu einem sensationellen 6:3-Erfolg gegen den SSV Reutlingen. Die ,,Adler” entscheiden das Fernduell um den Aufstieg mit Mainz 05 und Jürgen Klopp mit nur einem Treffer Differenz für sich. In der Bundesliga macht Reimann in Diensten der SGE allerdings dicke Negativschlagzeilen. Er wird gegen den 4. Offiziellen Thorsten Schriever tätlich und für 5 Spiele gesperrt. Es ist die bis dahin höchste Strafe für einen Bundesliga-Trainer. Die Spiele der Eintracht verfolgt er auf der Baustelle Waldstadion in der Folgezeit in einem Container, was ihm den Spitznamen ,,Container-Willi” einbringt. Allein: Grantler Max Merkel behält am Saisonende 2003/2004 Recht: ,,Willi und seine Würstchen – das schmeckt nach Abstieg”. Mit 60 hängt Reimann nach einem erfolglosen Engagement bei Eintracht Braunschweig den Trainerberuf an den Nagel. ,,Ich will mich in meinem Alter nicht mehr von irgendeinem Vereinspräsidenten beschimpfen lassen, sagt er im November 2010 der Frankfurter Rundschau, ,,ich bin nicht böse darüber, dass ich mir das alles nur noch von außen anschaue.”


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