Torhüter-Duell: Nichts gegen Manuel Neuer und Marc-André ter Stegen, aber…

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Torhüter-Duell: Nichts gegen Manuel Neuer und Marc-André ter Stegen, aber…

Torhüter-Duelle sind so alt wie ,,Die Mannschaft” selbst – Aber keiner dieser Keeper-Zweikämpfe kommt an den Kalten Krieg zweier Ausnahme-Torleute heran…

Deutschland gegen Argentinien am Mittwoch in Dortmund – Im Länderspiel-Klassiker wird Marc-André ter Stegen (27) vom FC Barcelona im deutschen Tor stehen.

Am Sonntag, wenn es in Tallinn in Estland in der EM-Qualifikation wieder ernst wird, ist dann Manuel Neuer (33) vom FC Bayern München wieder gesetzt. Vor dieser Länderspiel-Reise und nach dem letzten DFB-Doppelpack gegen Holland (2:4) und in Nordirland (2:0) sind die Giftpfeile aus München in Richtung ,,MAtS” und in Richtung DFB geflogen.

Bayern-Boss Uli Hoeneß (67) droht offen damit, ,,künftig keine Nationalspieler mehr abzustellen”, so ter Stegen im Tor steht. Das darf der gar nicht! Laut FIFA-Statut müssen die Vereine ihre Nationalspieler abstellen, ob sie wollen oder ob nicht. Über die Reise zu einem Länderspiel entscheidet einzig und allein der vom Auswahltrainer nominierte Spieler. Ist doch logisch, oder?

Eine schöne Attacke vom FC Bayern! Aber mal ehrlich: Torhüter-Duelle sind so alt wie die deutsche Fußball-Nationalmannschaft selbst und sie werden in Zeiten, in denen ,,Die Mannschaft” noch die deutsche Fußball-Nationalmannschaft heißt, mit ganz anderen Bandagen geführt als heute.Es gibt mehrere Faktoren für ein Torhüter-Duell im Nationaltrikot. Neben zwei Top-Keepern auf Augenhöhe haben die Entscheidungsgewalt des Bundestrainers, aber auch die berühmt-berüchtigte ,,Lobby” bei den Medien immer auch eine wichtige Rolle gespielt.

Das stellt auch Harald ,,Toni” Schumacher in seinem Buch Anpfiff – Enthüllungen über den deutschen Fußball (1987), welches ihn den Job beim 1. FC Köln und beim DFB kostet, über einen (Nicht)-Konkurrenten der Achtzigerjahre fest: Rüdiger Vollborn von Bayer 04 Leverkusen. Der U20-Weltmeister von 1981 (u. a. mit Dortmund-Macher Michael Zorc und Bayern-Legende Roland Wohlfarth) macht nie ein A-Länderspiel für Deutschland. ,,Vollborn”, so schreibt Schumacher über den UEFA-Cup-Sieger von 1988 mit der Bayer-Elf, ,,hatte keine Lobby.” Die hat wenige Jahre auch der von Toni Schumacher trainierte Dortmunder Stefan Klos nicht. Er wird 2-mal Deutscher Meister mit dem BVB, doch eine Daumenverletzung verhindert seine EM-Teilnahme 1996. In Diensten der Glasgow Rangers (ab 1998) ist der Champions-League-Sieger im Nationalteam außen vor.

Den größten Lager-Wettkampf in Sachen DFB-Torhütern liefern die deutschen Medien unmittelbar vor der Heim-WM 2006. Während die westdeutschen Journalisten für den Ex-Dortmunder Jens Lehmann vom FC Arsenal werben, trommeln die dem FC Bayern München verbundenen Blätter mit der roten Banderole laut für Oliver Kahn vom FC Bayern München. Fußball-Deutschland geht vor der ominösen Pressekonferenz von Bundestrainer Jürgen Klinsmann im April 2006 in einem Münchner Hotel davon aus, dass ,,Der Titan”, so nennen die Boulevard-Medien den Champions-League-Sieger Kahn, bei der WM im eigenen Land zwischen den Pfosten steht. Die Spannung wird auf die Spitze getrieben. Es fehlt eigentlich nur noch ein ARD-Brennpunkt…

Jürgen Klinsmann löst die ,,T-Frage” auf die ihm eigene Art. Er entscheidet sich – komplett gegen den Mainstream – und aus Überzeugung für den ,,spielenden Torhüter” Jens Lehmann. Kahn, von Klinsmann bei Amtsantritt 2004 schon als Kapitän abberufen (diese Rolle kommt dem ,,Capitano” Michael Ballack zu), wird die Krönung seiner DFB-Laufbahn verwehrt. Kahns Zeit kommt nach dem WM-Debakel 1998. Er wird zum Welttorhüter und Garanten für den Vizetitel bei der WM 2002 und es gibt keinen Grund für Teamchef Rudi Völler, an der Hierarchie etwas zu verändern. Kahn ist für ,,Rudi Riese” die klare Nummer 1, Jens Lehmann die Nummer 2, Ende der Diskussion. Das ändert sich unter Klinsmann – ebenso wie die bis dahin praktizierte Bevorzugung der BILD-Zeitung in Sachen Mannschafts-Aufstellung – grundlegend. Klinsi ersetzt den Kahn-Getreuen Sepp Maier (,,Lehmann kann sich aufhängen”) durch Andreas Köpke als DFB-Torwart-Trainer. Diese Position hat der Kieler bis heute inne. Lehmann selbst geht Kahn wegen dessen Privatleben an: ;,Ich wüsste nicht, was wir reden sollten. Ich habe keine 24-jährige Freundin, ich habe ein anderes Leben”, sagt er in Anspielung auf Kahns Liaison mit seiner P1-Bekanntschaft Verena Kerth. Das ist eine Dimension, die man bis dahin in der ,,T-Frage” nicht kennt. Andere Rivalen sind sich wenigstens konsequent aus dem Weg gegangen. Kahns Händedruck mit Lehmann vor dem Elfmeterkrimi im legendären WM-Viertelfinale am 30. Juni 2006 gegen Argentinien (5:3 n. E.) bringt schließlich die Versöhnung und zeigt ganz großen Sportsgeist.Torhüter-Duelle werden im DFB-Team spätestens seit dem Zweikampf Hans Tilkowski (Borussia Dortmund) gegen Wolfgang Fahrian (Hertha BSC) konsequent über die Öffentlichkeit ausgetragen. 

Aber nicht etwa zwischen den Torleuten Tilkowski und Fahrian, die stets ein gutes Verhältnis haben. Sondern zwischen Tilkowski und Herberger. Der schreibt Beschwerdebriefe an den DFB-Präsidenten, will Tilkowski nach dessen vermeintlichen Verleumdungen vor dem Bundesgericht verklagen. Erst mit Herbergers Rücktritt 2 Jahre nach dem WM-Desaster von Chile 1962 (,,Aus” im Viertelfinale) kehrt Ruhe ein, Tilkowski steht unter Herberger-Nachfolger Helmut Schön bei der WM 1966 in England im Tor – und wird in Wembley in der 101. Minute des Finalspiels gegen England weltweit berühmt …

Dann kommt die Ära Sepp Maier, die ohne den Autounfall des legendären Bayern-Keepers 1979 wohl bis 1990 angehalten hätte. Seine Konkurrenten Horst ,,Luffe” Wolter (Eintracht Braunschweig), Norbert Nigbur (FC Schalke 04) und Wolfgang Kleff (Borussia Mönchengladbach) haben keine Chance. Der ,,Maier-Sepp” kann sich auf die mächtige Bayern-Lobby im Nationalteam mit Franz (Franz) Beckenbauer, Paul (Paule) Breitner, Gerhard (Gerd) Müller und Ulrich (Uli) Hoeneß. Kleff flüchtet sich am Ende in Galgenhumor: ,,Sepp Maier hat seinen Dackel erschlagen. Der machte immer ‘kleff, kleff'.”

Wirklich humorig. Das gilt nicht für das Duell  zwischen Harald ,,Toni” Schumacher und Ulrich ,,Uli” Stein, die sich ab 1982 einen in die Zeit passenden ,,kalten Krieg” ums deutsche Tor liefern. Gesprochen wird nur im Notfall. Und wenn, dann fliegen die Giftpfeile. ,,Stein kennt vor allem die unfairen Methoden”, ist sich Toni Schumacher sicher.  Die kennt er offensichtlich auch. Sein brutales Foul am Franzosen Patrick Battiston im WM-Halbfinale 1982 in Sevilla kann den Kölner nicht aus der Titelverteidiger-Rolle drängen. Dazu ist die Hausmacht des ,,Tünn” unter Derwall, aber auch unter seinem Nachfolger Franz Beckenbauer zu groß. ,,Schumacher witterte die Gefahr, er zog alle Register des Psychoterrors inklusive persönlicher Diffamierungen in den Medien, um die Hausmacht zu behalten”, schreibt Stein später in seiner Autobiographie Halbzeit – Eine Bilanz ohne Deckung (Knaur, 1993) über jene Zeit. Der Showdown kommt bei der WM 1986 in Mexiko. Obwohl Beckenbauer Stein angeblich versprochen hat, dass er bei der WM-Endrunde in Mittelamerika spielt, steht Schumacher im Tor. Stein geht in den Schmollwinkel. Im Stile eines Sonnenanbeters sitzt er beim krampfhaften 1:1-Auftakt gegen Uruguay auf der Bank. Wenig später ist Schluss für ihn: Beckenbauer wirft ihn raus, nachdem ihm zu Ohren gekommen ist, dass Stein ihn als ,,Suppenkasper” und die Nationalmannschaft als ,,Gurkentruppe” tituliert hat. Das stellt gegenüber dem ,,Kaiser” damals wie heute den Tatbestand der ,,Majestätsbeleidigung” dar. Uli Stein ist damit der erste deutsche Nationalspieler, der ein Turnier vorzeitig und aus disziplinarischen Gründen verlassen muss. Ligalive.net hat Vize-Weltmeister Ditmar Jakobs (66) dazu am Rande der Kino-Premiere im September 2019 in Hamburg befragt. ,,Wir haben damals versucht, Uli mit 4 Spielern zu schützen”, sagt die HSV-Legende Ditmar Jakobs. Das sind, wie der Vize-Weltmeister von 1986 verrät, die Münchner Klaus Augenthaler und Dieter Hoeneß sowie seine Hamburger Teamkollegen Jakobs und Felix Magath. ,,Aber dieses eine Mal”, so berichtet ,,Jako” exklusiv, ,,haben wir ihn aus den Augen verloren und am nächsten Tag war der Spruch mit dem Suppenkasper schon in allen Zeitungen. Man muss sich das mal vorstellen: Damals übernachteten die Journalisten noch im Mannschaftshotel.”


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