Jimmy Hartwig: Dreimal leistet er einen Offenbarungseid
Jimmy Hartwig: Dreimal leistet er einen Offenbarungseid. Die Pleite-Profis – Eine Legende im Schuldenturm, und wie es wieder aufwärts gehen kann
William Georg „Jimmy“ Hartwig – kein Spieler des ruhmreichen Hamburger SV bringt es auf eine höhere Skandaldichte als der 1954 in Offenbach geborene uneheliche Sohn eines afro-amerikanischen GI.
„Jimmy Hartwig ist in Hamburg mit keinem anderen Spieler vergleichbar“, sagt HSV-Reporterlegende Dieter Matz im Jahr 2009 über den zweifachen Nationalspieler, „er war ein Paradiesvogel, wie ihn der HSV davor und danach nie wieder gehabt hat.“
1978 von 1860 München an die Elbe gewechselt, macht Hartwig bis zu seinem unfreiwilligen Abgang im Jahr 1984 insgesamt 182 BL-Spiele für den HSV. In der erfolgreichen HSV-Mannschaft, die 1983 die Meisterschaft und den Europapokal der Landesmeister gewinnt, gilt der lebensfrohe Hesse aufgrund seiner offenen, gern als vorlaut angesehenen Art als unbeliebt. Sein Spaßvogel-Image bringt im Februar 1984 folglich das Ende seiner HSV-Karriere. Hartwig, der sich für das Auswärtsspiel in Uerdingen offiziell krank gemeldet hat, taucht bei einem der in der Hansestadt durchaus als exklusiv geltenden Faschingsbälle im noblen Hamburger Elbvorort Nienstedten auf. Das gefällt HSV-Coach und Disziplinfanatiker Ernst Happel nicht wirklich…
Am Saisonende geben ihn die Hamburger an den 1. FC Köln ab, obwohl ihn dessen Trainer Hannes Löhr eigentlich nicht will. Zudem begeht Hartwig den für jeden Kölner Neuzugang zu jener Zeit tödlichen Fehler, sich mit dem unumstrittenen Leader Toni Schumacher zu überwerfen. „Ey, Hartwig, hier bin ich der Chef, hier sag ich, was los ist, hier hast du nichts zu melden“, ist die klare Ansage des Nationaltorhüters. Danach herrscht Funkstille.
Schon im Oktober 1985 ist für Hartwig in Köln nach nur 24 Liga-Einsätzen (5 Tore) Schluss. Trotz der hohen Wertschätzung bei Casino Salzburg – 15.000 Fans sind bei Hartwigs erstem Spiel – kommt Jimmy nie in der Mozartstadt an. Der Paradiesvogel stürzt ab. Er zieht durch Bars und Discotheken, dazu sorgt eine Meniskus-OP nach einem erfolglosen Neustart bei Bundesliga-Aufsteiger FC Homburg 1987 für sein endgültiges Karriere-Ende. Für die Saarländer in zwei Bundesliga-Spielzeiten insgesamt nur vier Mal auf.
Unter der Headline „Fußball – Der Abstieg“ schildert Jimmy Hartwig in seiner im Oktober 1994 erschienenen, erfrischend-ehrlichen Lebensbeichte Ich möcht‘ noch so viel tun (Verlag: Bastei Lübbe) einen Niedergang, wie ihn viele Ex-Profis erleben. „Da blitzte also noch einmal Licht am Horizont auf, vielleicht würde ich in Homburg an meine alte Form anschließen und mich wieder als Profispieler der Spitzenklasse etablieren können“, schreibt Hartwig, „doch dieser Wunsch erwies sich natürlich schnell als reine Illusion, mit kaputten Knochen schafft niemand einen neuen Start. Nicht im Hochleistungssport.“
Natürlich nicht. Hartwig umgibt sich in Hamburg, Köln und München mit den falschen Leuten. Es sind die für Fußballprofis und andere Prominente so gefährlichen Schulterklopfer – und zwielichtige Typen aus dem Rotlichtmilieu. Dazu kommen ausschweifende Partys, Drogen („Ich besaß immer nur Kokain zum Eigenbedarf“) und schöne Frauen. Dieser exzessive Lebensstil und zwei Scheidungen kosten Hartwig die als Fußballprofi erspielte Kohle.
Dreimal leistet er einen Offenbarungseid. 2004 nimmt er an der RTL-Dschungelshow Ich bin ein Star, holt mich hier raus teil. Der Tiefpunkt. Aber: Weder die finanziellen Rückschläge noch zwei Krebserkrankungen können den Kämpfer Jimmy brechen. Ab 2002 schlägt er einen neuen Karriereweg ein, ist heute Integrationsbotschafter beim DFB. An der Seite des nicht minder exzentrischen Ben Becker („Es gibt eine Menge Leute da draußen, die werden mich verfluchen“) und des legendären Performance-Künstlers Blixa Bargeld spielt Hartwig am Weimarer Nationaltheater in Bertolt Brechts Baal. 2008 gibt Jimmy unter der Regie von Thomas Thieme in Wolfsburg im wahrsten Sinne des Wortes Die Legende auf der Couch. Ein Jahr später schreibt ihm Thieme in Büchners Woyzeck im Central-Theater Leipzig die Titelrolle des geschundenen Helden auf den Leib.
Mit 65 sehen wir Jimmy Hartwig 2019 als Initiator des Münchner Nationen-Cups, Integrationsbotschafter des Deutschen Fußball-Bundes und Mitglied der DFB-Kommission „Gesellschaftliche Verantwortung“. Jimmy geht es wieder gut. Das freut uns, denn Jimmy ist ein echter Typ.Videoinhalte – Der Video-Player oben zeigt zunächst das Video über Jimmy Hartwig, danach automatisch folgend alle weiteren Videos unseres Dossiers: “Die Pleite-Profis – Diese 30 Fußballspieler gerieten in finanzielle Turbulenzen”.
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