Sebastian Deisler – Der zerbrochene Held einer Fußball-Generation
Sebastian Deisler – Der zerbrochene Held einer Fußball-Generation. Falsch gewechselt: Es ist so schwer, ein FC Bayern-Star zu sein
Am 16. Januar 2007 stockte den Journalisten im Presseraum des FC Bayern München der Atem. Der 36-fache deutsche Nationalspieler Sebastian Deisler verkündigte sein vorzeitiges – und wie wir längst wissen endgültiges – Karriere-Ende.
Fußball-Deutschland unter Schock. Aus „Basti Fantasti“, dem Wunderkind der „Generation Sommermärchen“, war ein Sorgenkind und schließlich ein Aussteiger geworden. Zermürbt von Verletzungen, ausgebrannt, müde vom Fußball-Zirkus, für den in der bayerischen Metropole noch mal andere Gesetze als in anderen deutschen Bundesliga-Großstädten gelten, warf Deisler das Handtuch. „Ich habe die Freude und den Spaß verloren. Es war zuletzt für mich eine Qual. Ich kann nicht mehr“, erklärte er gefasst seinen Rückzug vom Profifußball. Mit 27.
Moralisch unterstützt vom damaligen Bayern-Manager Uli Hoeneß, der von einem „Albtraum“ sprach, erläuterte Deisler seine Entscheidung. Fünf Knie-OPs hatte der begnadete Rechtsfuß in den Jahren zuvor über sich ergehen lassen müssen. Hinzu kamen stetig wachsende Sorgen und Selbstzweifel, die schließlich in Depressionen mündeten.
Man kann nur erahnen, wie „Basti Fantasti“ gelitten hat
Das größte Versprechen der „Sommermärchen“-Zeit unter Bundestrainer Jürgen Klinsmann, vor der Heim-WM 2006 der Hoffnungsträger einer ganzen Fußball-Nation neben Michael Ballack, stand neben einem sichtlich betroffenen Bayern-Macher Uli Hoeneß. Zerbrochen. „Ich habe das Vertrauen in mein Knie verloren“, bekannte der Badener, der in seiner Zeit bei Bayern München und zuvor bei Hertha BSC nach Knorpelschaden im Knie 91 Pflichtspiele (!) verpasste und sich 2004 für fast 180 Tage nach Depression und Burnout-Syndrom abmeldete.
„Sebastian Deisler reißt sich ein tiefes Loch ins Herz, um sich wieder selbst zu gehören. Es ist, als öffne sich für ihn ein neuer Horizont. Ein Horizont ohne die alten Ängste, Qualen, ohne Seelenschmerz“, lieferte der Berliner Tagesspiegel einen Tag später eine Hommage an den gefallenen Fußball-Helden.
Dabei hatte alles so vielversprechend begonnen. Vor seinem letzten Spiel mit Hertha BSC am 34. Spieltag der Saison 2001/2002 begrüßten ihn Fans in der BayArena, wo die Berliner zum Saisonfinale antraten, mit dem Plakat „Deisler, wir freuen uns auf dich.“
Schon vor dem Start bei Bayern ein halbes Jahr verletzt!
Diese Freude war kurz, denn Deisler, der mit der Erfahrung aus mehr als 70 Bundesliga-Spielen für Hertha BSC und Borussia Mönchengladbach nach München kam, sollte die anschließende Weltmeisterschaft 2002 in Japan und Südkorea hatte Deisler verpassen – und monatelang ausfallen! Nachdem er sich ausgerechnet im letzten Test gegen Österreich (6:2) in Leverkusen vor der Abreise schwer am rechten Knie verletzt hatte, dauerte es bis zum 9. Februar 2003, ehe er sein Bundesliga-Debüt im Bayern-Dress geben konnte.
Die Hertha-Fans nahmen ihm den Wechsel in die Fußball-Hauptstadt übel. „Ich hätte ehrlich gesagt nicht damit gerechnet, dass es so viele Pfiffe sind“, gab der Mittelfeldmann einmal nach einem Heimspiel im Olympiastadion zu. Das mutete doch etwas naiv an. Vielleicht war Sebastian Deisler („Wenn ich spiele, gebe ich etwas von meiner Seele preis“) zu sensibel, zu feingeistig für den Profi-Zirkus. Dass die Bayern 2002 für seine Dienste nur 9 Mio. Euro an Hertha BSC zahlten, mutete für den Supertechniker beinahe lächerlich an. Die hohe Bürde der Ablöse kann es also nicht gewesen sein.
Deislers Depression schockte Fußball-Deutschland
In München spitzte sich die Situation schon 2003 für Deisler weiter zu. Seine Leistungen waren dürftig und zwischen dem 26. und dem 31. Spieltag der „Double“-Saison 2002/2003 stand er nicht im Kader von Trainer Ottmar Hitzfeld. Kaum ins Spieljahr 2003/2004 gestartet, bremste ihn ein Muskelfaserriss erneut aus. Pries ihn Ottmar Hitzfeld nach zwei Toren Ende Oktober 2003 gegen den 1. FC Kaiserslautern (4:1) noch als „die Entdeckung der Saison“, musste München im November tief durchatmen.
Deislers Depressionen und sein Burn-out („Ich möchte nicht mehr verdrängen, dass ich krank bin“) wurden öffentlich – und bis zum 15. Mai 2004 war er gänzlich aus der Bayern-Mannschaft verschwunden. Der Hoffnungsträger des deutschen Fußballs depressiv? Ein Desaster für den FC Bayern! So ging es stetig weiter. Immer wieder verhinderten Verletzungen, dass sich Deisler in München doch noch akklimatisieren konnte. Der zweite Knorpelschaden im Knie im März 2006 beendete alle Spekulationen über Deislers Führungsrolle bei der anstehenden Weltmeisterschaft im eigenen Land.
Nur 90 Pflichtspiele hat Sebastian Deisler in viereinhalb Jahren beim FC Bayern absolviert. Danach tauchte er ab. Zwei Mal wagte er sich nach dem Abschied vom Profifußball noch einmal in die Öffentlichkeit: 2009 bei der Präsentation seines Buches Zurück ins Leben in der RTL-Sendung Stern TV und 2013, als er eine Schadensersatzklage gegen seinen ehemaligen Berater verlor.Videoinhalte – Der Video-Player oben zeigt zunächst das Video über Sebastian Deisler, danach automatisch folgend alle weiteren Videos unseres Dossiers: “Diese 20 Spieler wechselten zu Bayern München – und ruinierten ihre Karriere“.
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